Gesellschafterfinanzierung in der Insolvenz

Der Gesellschafter muss einen Gläubiger, dem er eine Gesellschaftersicherheit gewährt hat, in der Insolvenz der Gesellschaft vorrangig befriedigen. Wird das (auch) durch den Gesellschafter besicherte Darlehen mit Mittel der Gesellschaft zurückgeführt, ist dies dem Gesellschafter gegenüber anfechtbar gem. § 135 Abs. 2 InsO, d.h. er muss einen Betrag in Höhe des Werts der nicht in Anspruch genommenen Sicherheit an den Insolvenzverwalter zahlen. Dies gilt auch, wenn der Gläubiger aus einer (weiteren) Sicherheit der Gesellschaft befriedigt wird.

Hintergrund

Der später insolventen GmbH & Co. KG („Schuldnerin“) wurde von ihrer Bank eine Kreditlinie eingeräumt. Zur Sicherung trat die Schuldnerin der Bank durch Globalabtretung sämtliche Kundenforderungen ab. Daneben übernahm der beklagte Gesellschafter eine auf den Betrag der Kreditlinie beschränkte Bürgschaft gegenüber der Bank. Ein Jahr vor Insolvenzantragsstellung war die Kreditlinie fast vollständig ausgeschöpft, wurde aber noch vor Stellung des Eigenantrags durch Zahlungseingänge auf (an die Bank abgetretene) Kundenforderungen zurückgeführt. Der klagende Insolvenzverwalter verlangte die Erstattung der Beträge, die zu der Rückführung der Kreditlinie geführt hatten, da diese den Gesellschafter von seinen Verpflichtungen aus der Bürgschaftsübernahme befreit hatten. Dagegen wendete der Beklagte ein, dass durch die Einzahlungen auf dem debitorischen Konto keine Verkürzung der Aktivmasse eingetreten sei, weil die Forderungen schon an die Bank abgetreten waren.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH gab dem Insolvenzverwalter Recht. Ein Gesellschafter hafte auch dann vorrangig, wenn bei einer Doppelbesicherung zunächst die Sicherheit der Gesellschaft zur Befriedigung des Gläubigers führe. Durch die Rückführung der Kreditlinie habe der Gesellschafter die Befreiung von seiner Sicherheit auf Kosten der Gesellschaft erlangt. Insbesondere bejaht der BGH die Gläubigerbenachteiligung. Bei durch den Gesellschafter besicherten Drittdarlehen liege diese stets vor, wenn die Befriedigung aus eigenen Mitteln der Schuldnerin erfolge; unabhängig davon, ob die Gesellschaft die Schuld einfach zurückzahle oder ebenfalls eine Sicherheit gestellt habe, die der Gläubiger für sich verwertet. Der Gesellschafter sei aus der von ihm übernommenen Sicherheit zur vorrangigen Befriedigung des Gläubigers verpflichtet. Dies habe der Gesetzgeber in § 44a InsO grundsätzlich festgelegt. Danach hat ein Drittdarlehensgeber sich nach der Insolvenzeröffnung vorrangig an eine vom Gesellschafter gestellte Sicherheit zu halten. Im Zeitraum davor werde dieser gebotene Haftungsvorrang des Gesellschafters mit Hilfe von §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO wiederhergestellt. Die Gläubigerbenachteiligung entfalle auch nicht deshalb, weil die Zahlungen der Schuldnerin im Verhältnis zur insolvenzfest gesicherten Bank unanfechtbar waren.

Anmerkung

Der BGH setzt mit dieser Entscheidung den Grundsatz der vorrangigen Haftung von Gesellschafterfinanzierungen auch für die Fallkonstellation der sog. Doppelbesicherung konsequent um. Die vorrangige Befriedigungspflicht des Gesellschafters entspricht auch in diesem Fall klar den Wertungen des Gesetzgebers, der den sichernden Gesellschafter im Verhältnis zu den vorher geltenden Rechtsprechungsregelungen zum Eigenkapitalersatz nicht besserstellen wollte. Und auch nach dieser Rechtsprechung zu den §§ 32a, 32b GmbHG a. F. war die Gesellschaftersicherheit stets vorrangig heranzuziehen (siehe etwa BGH NJW 1986, 429).  

Diese Grundsätze und die heute in der Insolvenzordnung kodifizierten Anfechtungstatbestände verfolgen den Zweck, einem Gesellschafter, der formal als Fremdkapitalgeber auftritt, in der Insolvenz seiner Gesellschaft – unabhängig von der vertraglichen Gestaltung und Finanzierungskonstruktion – nicht den Status eines Fremdkapitalgebers einzuräumen. In diesem Sinne ist die Entscheidung konsequent und richtig. Die Insolvenzfestigkeit der Befriedigung der Bank ist nicht nur juristisch interessant. Zwar hätte die Leistung an die Bank der Insolvenzanfechtung dieser gegenüber unterlegen, und die Bank hätte nach Rückgewähr der Zahlungen an den Insolvenzverwalter den Gesellschafter wieder unmittelbar aus der Bürgschaft in Anspruch nehmen können und müssen. Dasselbe wirtschaftliche Ergebnis (die Gesellschaftersicherheit muss in der Insolvenz der Gesellschaft vorrangig bedient werden) entsteht letztendlich aber nur dann, wenn der Gesellschafter selbst auch in der Lage ist, diese zu bedienen. Damit die Bank nicht das Solvenzrisiko des Gesellschafters trägt und im Hinblick auf eine ggf. einfachere Befriedigung aus Sachsicherheiten, macht für sie eine Doppelsicherung auch weiterhin Sinn.

Rechtsanwälte Dr. Stefan Lammel, Dr. Ingo Reinke, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg

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