Erfüllungsort in AGB kann einen deutschen Gerichtsstand begründen

Das OLG Zweibrücken entschied, dass sich die internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts aus einer AGB-Regelung zum Erfüllungsort ergeben kann. Auch wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht (wirksam) getroffen wurde.

Hintergrund

Die Klägerin mit Sitz in Deutschland hatte die Beklagte mit einer Werkleistung an deren Sitz in Belgien beauftragt. Unter Verweis auf ihre AGB machte die Beklagte der Klägerin ein Angebot per E-Mail, woraufhin die Klägerin, ebenfalls per E-Mail unter Verweis auf ihre AGB, den Auftrag erteilte. Die AGB wurden jeweils nicht beigefügt. Die AGB der Klägerin sahen die Anwendung deutschen Rechts sowie einen deutschen Gerichtsstand und Erfüllungsort vor. Die AGB der Beklagten beinhalteten weder eine Bestimmung, die die AGB der Klägerin abwehrt (sog. „Abwehrklausel“), noch eine Bestimmung zum Gerichtsstand oder zum anwendbaren Recht. Nachdem die Werkleistung in Belgien erbracht wurde, streiten die Parteien wegen Mängel. Das angerufene deutsche LG erklärte sich für zuständig, die Beklagte legte hiergegen Berufung beim OLG ein.

Das Urteil des OLG Zweibrücken v. 7.2.2013, 4 U 78/12

Das OLG hält das LG für zuständig. Zwar sei die Gerichtsstandsvereinbarung in den AGB der Klägerin gem. Art. 23 Abs. 1 S. 3 lit. a) EuGVVO unwirksam. Es fehle an einer schriftlichen Vereinbarung. Die AGB wurden noch nicht einmal mitgesendet – eine schriftliche Zustimmung der anderen Partei zu einer Zuständigkeitsregel, sei jedoch überhaupt nur denkbar, wenn der anderen Partei die AGB tatsächlich vorgelegt werden.

Stattdessen ergebe sich die Zuständigkeit des LG aus den AGB der Klägerin i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 a EuGVVO, wonach international die Gerichte am Erfüllungsort zuständig sind:

Nr. 1 a EuGVVO, wonach international die Gerichte am Erfüllungsort zuständig sind:

In einem ersten Schritt geht das Gericht dabei zunächst zutreffend davon aus, dass sich die Wirksamkeit einer Rechtswahlklausel (hier wählen die AGB der Klägerin deutsches Recht) gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 10 Abs. der Rom I-VO (Verordnung Nr. 543/2008) nach dem Recht richtet, das von der Rechtswahlklausel gewählt wird (hier: also nach deutschem Recht).

Im zweiten Schritt ist das OLG Zweibrücken dann der Auffassung, die AGB der Klägerin seien durch den bloßen Hinweis per E-Mail einbezogen worden, obwohl die AGB nicht übergeben worden waren. Da in den AGB der Klägerin als Erfüllungsort der Sitz der Klägerin geregelt war und die AGB der Beklagten keine Abwehrklausel enthielten, sah das OLG Zweibrücken den Erfüllungsort am Sitz der Klägerin in Deutschland als wirksam vereinbart an.

In einem dritten Schritt ergibt sich dann aus diesem wirksam vereinbarten Erfüllungsort gemäß Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 a EuGVVO ein Gerichtsstand am Sitz der Klägerin in Deutschland.

Anmerkung:

Bei Verträgen zwischen deutschen Vertragspartnern müssen die AGB nach ständiger Rechtsprechung nicht beigefügt werden, sondern dem Geschäftspartner kann zugemutet werden, dass er sich die AGB beschafft, wenn er sie noch nicht kennt (z.B. über das Internet oder über einen Anruf beim Verwender der AGB).

Im Jahr 2001 hat der BGH (Urteil v. 31.10.2001, VIII ZR 60/01) jedoch für einen grenzüberschreitende Vertrag, auf den UN-Kaufrecht Anwendung fand, entschieden, dass AGB nur dann wirksam in den Vertrag einbezogen werden, wenn der Verwender der AGB dem Erklärungsgegner deren Text übersendet oder anderweitig zugänglich macht. Dies begründete der BGH wie folgt: Im nationalen Rechtsverkehr sind die Klauseln innerhalb einer Branche vielfach ähnlich ausgestaltet und den Beteiligten bekannt. Soweit dies für einen Unternehmer nicht zutreffen sollte, wird von ihm erwartet, dass er sich die AGB beschafft. Diese Voraussetzungen treffen jedoch für den internationalen Handelsverkehr nicht in gleichem Umfang zu. Daher darf der ausländische Vertragspartner erwarten, dass ihm die AGB zugesendet werden (ohne dass er danach fragen muss).

In dem oben beschriebenen zweiten Schritt der Begründung nimmt das OLG Zweibrücken die Einbeziehung der AGB an, obwohl die AGB nicht übergeben worden waren. An anderer Stelle wird nur kurz darauf hingewiesen, die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2011 beziehe sich auf einen dem UN-Kaufrecht unterliegenden Vertrag. Selbst wenn das OLG Zweibrücken zutreffend BGB-Kaufrecht anwendete (was im Urteil nur kurz begründet wird), hätte es sich dennoch mit der oben zitierten Argumentation des BGH auseinandersetzen müssen. Dies unterbleibt. Daher ist die Entscheidung des OLG Zweibrücken nicht überzeugend.

Bei grenzüberschreitenden Verträgen kann die Regelung eines Erfüllungsortes in AGB jedenfalls dann einen deutschen Gerichtsstand begründen, wenn die AGB dem ausländischen Vertragspartner tatsächlich übergeben wurden und wirksam in den Vertrag einbezogen wurden. Noch besser ist, eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung mit dem ausländischen Vertragspartner abzuschließen: Dies kann z.B. erfolgen, indem ein schriftlicher Vertrag (mit Gerichtsstandsklausel) geschlossen wird oder der ausländische Vertragspartner im Wege einer kurzen Erklärung die Geltung der AGB (einschließlich Gerichtsstandsklausel) schriftlich anerkennt.

Rechtsanwälte Dr. Hendrik Thies, Ingo Reinke, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg