Arbeitnehmer-Mitbestimmung und Frauenquote

Nach dem DrittelbG sind Unternehmen in der Rechtsform der GmbH (oder der AG) ab 500 Arbeitnehmern verpflichtet, einen Aufsichtsrat zu bilden, der zu einem Drittel mit Arbeitnehmer-Vertretern besetzt ist. In rund 56% der betroffenen Unternehmen wird das bisher praktisch nicht umgesetzt. Durch das Gesetz zur Frauenquote bekommt dies aktuell neue Brisanz.

Gesetzliche und tatsächliche Ausgangslage

Die meistverbreitete Rechtsform für deutsche mittelständische Unternehmen ist die GmbH. Dort besteht ab „in der Regel“ 500 Arbeitnehmern die Pflicht, einen Aufsichtsrat zu bilden und diesen zu einem Drittel mit Arbeitnehmer-Vertretern zu besetzen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG). Zur Ermittlung der Arbeitnehmeranzahl wird zunächst auf einen Stichtag nach Köpfen und nicht nach anteiliger Arbeitszeit gezählt. Als volle Arbeitnehmer gelten folglich auch Teilzeitbeschäftigte, Aushilfen und Auszubildende; nach neuerer Rechtsprechung der Arbeitsgerichte auch Leiharbeitnehmer, soweit sie auf Stammarbeitsplätzen und nicht nur zum Ausgleich befristeter Spitzen eingesetzt werden. Neben der so ermittelten Anzahl am Stichtag ist eine Prognose über die zukünftige Entwicklung der Arbeitnehmerzahl erforderlich, wobei vorübergehende Schwankungen außer Betracht bleiben.

Weder das GmbH- noch das Mitbestimmungsrecht sehen Sanktionen für den Fall vor, dass ein Unternehmen keinen drittelmitbestimmten Aufsichtsrat eingerichtet hat, obwohl es dazu eigentlich verpflichtet wäre. Das dürfte der Grund dafür sein, dass von den rund 3.500 betroffenen Unternehmen in Deutschland 56% keinen Aufsichtsrat haben. Bislang war die einzig denkbare Sanktion, dass die Wirtschaftsprüfer den Verstoß in ihrem Prüfungsbericht zum Jahresabschluss nach § 321 HGB vermerken.

Neue Brisanz durch die Frauenquote

Neues könnte sich durch das im Frühjahr 2015 verabschiedete „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ ergeben. Danach müssen sich Unternehmen, die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, flexible Frauenquoten für Vorstand bzw. Geschäftsführung, Aufsichtsrat sowie oberes und mittleres Management verordnen und über die Fortschritte berichten. Danach kommt es nicht darauf an, ob eine Arbeitnehmer-Mitbestimmung tatsächlich praktiziert wird, sondern allein darauf, ob ein Unternehmen der Arbeitnehmer-Mitbestimmung unterliegt. Die ganz überwiegende Meinung geht dementsprechend davon aus, dass es für die Pflicht zur Festlegung von Quotenzielen irrelevant ist, ob ein Aufsichtsrat nach DrittelbG tatsächlich existiert oder nicht.

Frauenanteil festlegen

§ 52 Abs. 2 GmbHG in seiner neuesten Fassung verpflichtet die Gesellschafterversammlung aller betroffenen Unternehmen, für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und bei den Geschäftsführern Zielgrößen festzulegen. Ob dies auch der Fall ist, wenn pflichtwidrig kein Aufsichtsrat errichtet wurde, regelt das GmbHG nicht. Eine Sanktion könnte nun aber aus einer Verletzung der Pflicht zur Erstellung eines vollständigen Lageberichts drohen. Denn nach § 289a Abs. 4 HGB sind im Lagebericht Angaben zu den Quotenzielen und den Status ihrer Umsetzung zu machen. Werden keine Zielgrößen veröffentlicht (weil kein Aufsichtsrat besteht), ist der Lagebericht unvollständig. Dies stellt gem. §§ 334 f. HGB eine Ordnungswidrigkeit der Geschäftsführer dar; es können Bußgelder bis 50.000 Euro verhängt werden. Ob das zuständige Bundesamt für Justiz tatsächlich so weit geht, bleibt abzuwarten. Dagegen spricht eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Januar 2014, die einen etwas anders gelagerten Fall betraf: Nach § 325 Abs. 1 Nr. 2 HGB sind mittelgroße Kapitalgesellschaften verpflichtet, „den Bericht des Aufsichtsrats“ offenzulegen. Bis 2014 hat das Bundesamt für Justiz Ordnungsgelder verhängt, wenn ein solcher Bericht fehlte – auch wenn gar kein Aufsichtsrat gebildet worden war. Diese Praxis hat das Bundesverfassungsgericht für unzulässig erklärt. Die Errichtung eines Aufsichtsrats könne nicht über das handelsgesetzliche Ordnungsgeldverfahren erzwungen werden. Dafür gebe es das aktienrechtliche Statusverfahren als exklusiven Durchsetzungsmechanismus. Ob diese Auffassung sich auch in Bezug auf die Frauenquote durchsetzt, wird die Praxis zeigen.

Praxistipp

Für GmbHs mit mehr als 500 Mitarbeitern, die bislang keinen Aufsichtsrat nach dem DrittelbG gebildet haben, besteht die Gefahr, dass der Lagebericht als nicht vollständig angesehen wird, wenn keine Angaben über die Zielerreichung zur Frauenförderung – auch im Aufsichtsrat – gemacht werden. Ein Ausweg könnte darin bestehen, die Rechtsform zu ändern: das DrittelbG gilt nur für Kapitalgesellschaften, nicht für Personengesellschaften (also auch nicht für die GmbH & Co. KG). Im Bereich zwischen 500 und 2.000 Arbeitnehmern werden die bei der KG angestellten Arbeitnehmer auch nicht der GmbH zugerechnet (anders als nach dem Mitbestimmungsgesetz bei über 2.000 Arbeitnehmer). Nähert sich das Unternehmen der Zahl von .2000 Arbeitnehmern, wird es schwieriger, der Arbeitnehmer-Mitbestimmung aus dem Weg zu gehen. Dann empfiehlt sich der Wechsel in die Europäische Aktiengesellschaft (SE) oder die Aufnahme einer ausländischen Gesellschaft als persönlich haftender Gesellschafterin der KG, z.B. „plc & Co. KG“, „B.V. & Co. KG“ oder „GmbH & Co. KG“ mit einer österreichischen GmbH.

Dr. Barbara Mayer, Holger Hiss, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg

Schlagworte zum Thema:  Diversity, Mitbestimmung