Anlegerfreundlicher BGH: Richtungsweisendes Urteil zur Wertpapier

Wer im Wertpapierhandel mit dem Slogan „ausgewogene Konditionen“ wirbt, muss diese auch bieten. Der Begriff ist nämlich nicht inhaltsleer, sondern weckt beim Anleger die Vorstellung einer soliden Geldanlage, bei der das Verhältnis von Anleger- und Anbieterinteressen eine ausgewogene Balance aufweist.

Der Kläger hatte im Jahre 2005 Inhaberschuldverschreibungen der Wohnungsbau Leipzig West (WBL) zu einem Nennbetrag von 5000 EUR erworben. Insgesamt hatte die WBL Schuldverschreibungen in einem Volumen von 565 Mio EUR (ohne Börsenzulassung) aufgelegt.

Aussage „Ausgewogene Konditionen“ besonders herausgestellt

Der Werbeprospekt enthielt die besonders herausgestellte Aussage „Ausgewogene Konditionen“. Die WBL wurde später insolvent. Zuvor hatte die WBL hohe Zahlungen an die Fa. J.S. Immobilienbeteiligungen e.K. erbracht. Grundlage hiefür war ein Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag zwischen beiden Unternehmen. Die Firma J.S. war mit einem Anteil von 73 % Mehrheitsaktionär der WBL. Von der J.S. Immobilienbeteiligungen e.K. forderte der Anleger die Rückzahlung seiner Anlage.

LG ließ Anleger im Regen stehen

Das erstinstanzlich mit der Sache befasste Landgericht wies die Klage ab. Nach seiner Auffassung standen die Gewinnabführungen an das beherrschende Unternehmen nicht in Widerspruch zu den Prospektangaben. Die Aussage „ausgewogne Konditionen“ enthalte nicht eine Zusicherung dahingehend, dass kein Gewinnabführungsvertrag existiere.

Rechtsmittel hat sich für Anleger gelohnt

Nach Auffassung des zweitinstanzlich zuständigen OLG und schließlich des BGH war die beanstandete Werbeaussage irreführend weil unvollständig. Der Prospekt wendete sich nach Auffassung der Senate unmittelbar an ein börsenunerfahrenes Publikum. Demgemäß bestimme sich der Gehalt der Werbeaussagen nach dem Empfängerhorizont und den Informationsmöglichkeiten dieses börsenunerfahrenen Publikums. Für diese potenziellen Anleger war aufgrund auch eines sorgfältigen Prospektstudiums nicht zu erkennen, dass ein außenstehendes Unternehmen durch Weisungen in großem Umfang Kapital aus dem Ausgabeunternehmen würde abziehen können. Das Wissen um diese Konstellation hätte aber die Beurteilung der Anlagesicherheit und damit der Anlageentscheidung maßgeblich beeinflussen können.

Weisungsbefugnis Dritter ist für die Anleger gefahrerhöhend

Die Befugnis eines Drittunternehmens, aus wirtschaftlichem Eigeninteresse Gewinne abzuziehen, und zwar unabhängig von der Ertragslage des beherrschten Unternehmens, habe die Gefahren für die Wertbeständigkeit der Inhaberschuldverschreibungen maßgeblich erhöht.

Zumindest unvollständig, wenn nicht unrichtig

Damit sei der Verkaufsprospekt gemäß § 13 VerkProspG a.F. zumindest unvollständig, wenn nicht unrichtig gewesen. Gemäß der Verweisung auf §§ 44-47 BörsG könne daher der Erwerber von dem Prospektverantwortlichen die Erstattung des gezahlten Erwerbspreises verlangen.

Prospektverantwortlichkeit des beherrschenden Unternehmens

Diese folgt nach Auffassung der Richter daraus, dass die beklagte J.S. e.K. aufgrund des Gewinnabführungsvertrages ein erhebliches Eigeninteresse an der Bewerbung der Emissionspapiere gehabt habe. Die Einwerbung der Anlegergelder diente unmittelbar den Gewinninteressen der Beklagten.

Durch Erteilung entsprechender Weisungen zur Abführung erheblicher Beträge habe die Beklagte sich auch entsprechend bedient. Hieraus sei ohne weiteres der Rückschluss zulässig, dass die Beklagte von Anfang an die Emission maßgeblich mitgesteuert und auch maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung des Emissionsprospekts gehabt habe.

Richtungsweisend für Vielzahl von Anlegern

Erstinstanzlich sind noch eine ganze Reihe von gleich gelagerten Klagen gegen die J.S. Immobilienbeteiligungen e.K. anhängig. Das BGH-Urteil wird die Beklagte also noch teuer zum Stehen kommen.

(BGH, Urteil v. 18.09.2012, XI ZR 344/11).