Minderjährige: Ergänzungspfleger im Strafverfahren gegen Eltern

Besteht der Verdacht, dass sich Eltern wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen zum Nachteil ihrer Kinder strafbar gemacht haben, dann ist für die Minderjährigen eine Ergänzungspflegschaft einzurichten.

Die Eltern können in einem gegen sie gerichteten Strafverfahren wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen ihre hierdurch geschädigten minderjährigen Kinder nicht gesetzlich vertreten. Stattdessen hat das Familiengericht zum Schutz der Kinder und zur Wahrnehmung ihrer Rechte einen Ergänzungspfleger zu bestellen.

Elterliche Sorge für bestimmte Aufgabenkreise gesetzlich ausgeschlossen!

Betroffen ist zunächst die Entscheidung über die Ausübung des Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechts sowie die Entgegennahme von Zeugenladungen; diesbezüglich sind die Eltern kraft Gesetzes gemäß § 52 Abs. 2 S. 2 StPO von der Vertretung ihrer Kinder ausgeschlossen. Gleiches gilt gemäß § 81c Abs. 3 S. 3 StPO für die Zustimmung zur Untersuchung der Kinder.


Sind aber die Eltern an der Besorgung bestimmter Angelegenheiten verhindert, dann ist nach § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB zwingend ein Pfleger zu bestellen, um die effiziente Wahrnehmung der Rechte der Kinder zu gewährleisten. Das Familiengericht hat bei der Bestellung des Pflegers nicht die Aussagebereitschaft der Kinder zu prüfen. Die Kinder würden durch eine zusätzliche Befragung ansonsten unnötig belastet. Zudem könnte das Familiengericht nur eine unsichere Prognose anstellen, da es auf die Aussagebereitschaft der Kinder im Zeitpunkt der späteren Vernehmung ankommt.

Entzug der elterlichen Sorge für weitere Aufgabenkreise erforderlich!

Des Weiteren bedarf es der Bestellung eines Ergänzungspflegers für die Stellung eines Strafantrags und für die Erteilung einer Schweigepflichtentbindung gegenüber den behandelnden Ärzten. Diesbezüglich sind die Eltern zwar nicht von Gesetzes wegen von der Vertretung ausgeschlossen. Es ist aber gerechtfertigt, den Eltern die gesetzliche Vertretung nach § 1629 Abs. 2 S. 3, § 1796 Abs. 2 BGB zu entziehen wegen erheblichen Interessenkonfliktes zwischen ihnen und den Kindern.


Dies gilt jedenfalls dann, wenn den Kindern die erforderliche Verstandesreife fehlt, um über eine Schweigepflichtentbindung und einen Strafantrag selbst entscheiden zu können. Nur bei offensichtlich bestehender Verstandesreife der betroffenen Kinder kann sich die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft für diese Aufgabenbereiche im Einzelfall als zwecklos erweisen und deshalb abzulehnen sein. Bei Kindern im Alter von zwei und neun Jahren hat der BGH die erforderliche Verstandesreife aber eindeutig verneint und eine Ergänzungspflegschaft für erforderlich gehalten.


BGH, Beschluss v. 22.4.2020 (XII ZB 477/19)


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