Keine Erhöhung des Pfändungsfreibetrages wegen Steuerschulden
Die in der ZPO enthaltenen Pfändungsschutzvorschriften finden über § 36 Abs. 1 InsO weitestgehend auch im Insolvenzverfahren Anwendung.
Insolvenzschuldner hatte 26.000 EUR Steuerschulden
Unter Berufung auf diese Vorschriften machte ein Insolvenzschuldner im laufenden Insolvenzverfahren die Erhöhung des pfandfreien Betrages seines Einkommens geltend mit der Begründung, dass er Steuerschulden in Höhe von rund 26.000 EUR zu begleichen hätte. In erster und zweiter Instanz hatte er mit seinem Antrag keinen Erfolg. Auf seine Rechtsbeschwerde hin setzte sich der BGH ausführlich mit den Pfändungsschutzvorschriften auseinander.
BGH zu Pfändungsschutz und steuer- und sozialrechtlichen Pflichten des Schuldners
Zunächst nahm der BGH eine Prüfung anhand der Regelung in § 850e Nr. 1 ZPO vor, wonach Beträge der Pfändung entzogen sind, die unmittelbar aufgrund steuerrechtlicher oder sozialrechtlicher
Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind.
Der BGH stellte klar, dass dazu die vom Arbeitgeber einzubehaltende Lohnsteuer gehört. Dagegen sei die Einkommenssteuer, die ein Steuerpflichtiger am Schluss des Kalenderjahres vom Gesamteinkommen abzuführen hat, gerade keine solche unmittelbar abzuführende Steuerschuld. In dem entschiedenen Fall ging es aber gerade um eine nachträglich festgesetzte Einkommenssteuer und nicht um laufend zu zahlende Lohnsteuer, sodass die Regelung in § 850e Nr. 1 ZPO schon von ihrem Wortlaut her nicht einschlägig ist.
Darüber hinaus verneinte der BGH eine Erhöhung des unpfändbaren Betrages nach § 850f Abs. 1 ZPO. Nach dieser Vorschrift kann dem Schuldner auf seinen Antrag ein Teil des pfändbaren Arbeitseinkommens belassen werden, wenn er nachweist, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen der notwendige Lebensunterhalt für sich und die Personen, denen er Unterhalt zu gewähren hat, nicht gedeckt ist. Dieser Zweck werde durch die bloße Entstehung neuer Schulden nicht beeinträchtigt. Auf diese Regelung konnte der Schuldner sich laut BGH also ebenfalls nicht berufen.
Kein besonderes Bedürfnis des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen
Des Weiteren prüfte der BGH, ob der unpfändbare Betrag wegen eines besonderen Bedürfnisses des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen gem. § 850f Abs. 1 lit. b ZPO zu erhöhen ist. Unter ein besonderes Bedürfnis im Sinne dieser Vorschrift fallen bspw. gesundheitlich bedingte Mehraufwendungen des Schuldners oder berufliche Aufwendungen, die erforderlich sind, um dem Schuldner die Ausübung einer Berufstätigkeit überhaupt zu ermöglichen.
Die Begleichung alter Steuerschulden wird von dieser Ausnahmevorschrift aber nicht erfasst. Dies würde ansonsten zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung eines Gläubigers führen.
Ebenso verneinte der BGH die Gewährung von Pfändungsschutz nach § 850i ZPO. Danach kann einem Schuldner von sonstigen Einkünften, die kein Arbeitseinkommen darstellen, so viel belassen werden, wie ihm zustehen würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde. Im vorliegenden Fall stand dem Schuldner aus seinem laufenden Einkommen aber bereits ein Betrag oberhalb der Pfändungsfreigrenze zu, sodass für eine zusätzliche Anordnung nach § 850i ZPO kein Grund bestand.
BGH sah auch keine mit den guten Sitten nicht vereinbare Härte
Schließlich lehnte der BGH Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO ab. Diese Regelung gibt Schutz gegen Vollstreckungsmaßnahmen, die wegen ganz besonderer Umstände eine Härte für den Schuldner bedeuten, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist.
Die Vorschrift ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen und setzt voraus, dass die Vollstreckung zu einem untragbaren Ergebnis für den Schuldner führt. Der Insolvenzschuldner hatte geltend gemacht, dass er für die erst nachträglich festgesetzte Einkommenssteuer keine Restschuldbefreiung erlangen könne. Der BGH sah dies jedoch nicht als ausreichenden Grund dafür an, einen Teil des pfändbaren Arbeitseinkommens des Schuldners der Masse zu entziehen. Dies stünde dem Prinzip der bestmöglichen gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger im Insolvenzverfahren entgegen.
(BGH, Beschluss vom 19.09.2019, IX ZB 2/18).
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