Bundesverfassungsgericht Entzug des Doktortitels Unwürdigkeit

Der Entzug des Doktorgrades wegen Unwürdigkeit ist mit der verfassungsrechtlich garantierten Berufsfreiheit vereinbar. Der Begriff der „Unwürdigkeit“ bzw. „Würdigkeit“ genügt dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot.

Der Konstanzer Physiker Jan Hendrik Schön führte über Jahre einen verbissenen Kampf um den Erhalt seiner Doktorwürde. Im Jahr 2004 hatte die Uni Konstanz ihm den Doktorgrad aberkannt. Vorausgegangen war eine Auslandstätigkeit des Physikers in den USA. Gegen in dieser Zeit veröffentlichte Fachpublikationen des Physikers wurden in der Fachöffentlichkeit schwerwiegende Vorwürfe erhoben. Eine hierauf eingesetzte Untersuchungskommission kam zu dem Ergebnis, der Physiker habe Daten und Proben der von ihm beschriebenen Experimente nicht systematisch archiviert, vielmehr habe er Daten manipuliert und falsch dargestellt. Aufgrund dieser Feststellungen entzog der Promotionssausschuss der Universität Konstanz dem Physiker den Doktorgrad mit der Begründung, wer Forschungsdaten manipuliere, habe sich als unwürdig erwiesen, den Doktorgrad zu führen.

Gegen tragende Grundsätze seriöser Wissenschaft verstoßen

Die hiergegen eingereichte Klage des Physikers vor dem Verwaltungsgericht hatte zunächst Erfolg. Das VG war der Auffassung, der Begriff der Unwürdigkeit genüge nicht dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot, weshalb es an einer wirksamen gesetzlichen Grundlage für den Entzug des Doktorgrads fehle. Der anschließend mit der Sache befasste VGH ließ den Physiker jedoch abblitzen. Der Physiker habe gravierend gegen die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis verstoßen, indem er Forschungsergebnisse verfälscht habe. Wer so handele, biete keine Gewähr für eine seriöse wissenschaftliche Praxis. Die Aberkennung des Doktortitels sei in einem solchen Fall angemessen; der Begriff der Unwürdigkeit sei verfassungsrechtlich hinreichend bestimmt. Die beim Bundesverwaltungsgericht eingelegte Revision blieb ohne Erfolg.

Verfassungsbeschwerde nicht angenommen

Auch der von Schön eingelegten Verfassungsbeschwerde blieb der Erfolg versagt. Die Verfassungsbeschwerde wurde gar nicht erst zur Entscheidung angenommen. In der ablehnenden Entscheidung setzte das BVerfG sich im Kern hauptsächlich mit der Frage auseinander, ob der nach § 35 Abs. 7 des Baden-Württembergischen Landeshochschulgesetzes (inzwischen § 36 Abs. 7 LHG) mögliche Entzug der Doktorwürde wegen Unwürdigkeit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot genügt.

Begriff der Würdigkeit ist hinreichend präzise

Die Verfassungsrichter stellten hierbei klar, dass der Begriff der Würdigkeit bzw. Unwürdigkeit als unbestimmter Rechtsbegriff einzustufen sei. In diesen Fällen sei dem Bestimmtheitsgebot nur dann genügt, wenn aus der gesetzlichen Regelung

  • eine klare Zielsetzung erkennbar sei
  • und sich aus dem Gesetz bzw. dieser Zielsetzung richtungsweisende Gesichtspunkte für die Auslegung folgern lassen.

Nach Auffassung der Verfassungsrichter folgt die notwendige Präzisierung des Begriffs „Würdigkeit“ aus dem Wesen und Bedeutung eines akademischen Grades im Wissenschaftsrecht. Der Doktorgrad beziehe sich auf eine besondere fachlich-wissenschaftliche Qualifikation. Daraus folge, dass der Begriff der Unwürdigkeit funktionell mit solchem Fehlverhalten verbunden sei, das unmittelbar mit der wissenschaftlichen Tätigkeit des Betroffenen einhergehe (BVerfG, Beschluss v.30.11.1988, 1 BvR 900/88). Diese restriktive ausschließlich wissenschaftsbezogene Auslegung des Begriffes der Unwürdigkeit folge zwingend aus dem Bestimmtheitsgebot.

Sonstiges persönliches Verhalten darf keine Rolle spielen

Ausdrücklich stellten die Verfassungsrichter klar, dass die Entziehung eines akademischen Titels wegen Verfehlungen außerhalb des Wissenschaftsbetriebes, beispielsweise im persönlichen Bereich, grundsätzlich nie in Betracht komme. Nur diese einschränkende Auslegung des Begriffes der Unwürdigkeit werde dem Verfassungsgebot der Bestimmtheit gerecht. Die Abgabe von Werturteilen hinsichtlich des Verhaltens von Personen außerhalb des Wissenschaftsbetriebes stehe einer Hochschule dagegen nicht zu. Vor dem Hintergrund dieser Klarstellung kamen die Verfassungsrichter zu dem Ergebnis, dass das Fehlverhalten des Beschwerdeführers hier eindeutig dem Wissenschaftsbetrieb zuzurechnen war, da er wissenschaftliche Daten manipuliert habe.

Keine sonstigen Grundrechte verletzt

Der Entzug der Doktorwürde sei in einem solchen Fall unproblematisch und verfassungsrechtlich unbedenklich. Zwar beinhalte der Entzug der Doktorwürde auch einen Eingriff in die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG und in die Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die Eingriffe seien jedoch sachlich gerechtfertigt und nicht unverhältnismäßig angesichts der Schwere des Verstoßes des Beschwerdeführers gegen wissenschaftliche Grundsätze. Zum Schutz der Funktionstätigkeit des Wissenschaftsbetriebes sei in einem solchen Fall der Entzug der Doktorwürde geradezu erforderlich.

(BVerfG, Beschluss v. 3.9.2014, 1 BvR 3353/13)

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