Nachfragen bei Spontanäußerungen – Schweigerecht ist zu respektieren
Spontanäußerung zum Randgeschehen – Richterin fragte mehrmals nach
Ein Jugendlicher wurde wegen des dringenden Verdachts eines versuchten Totschlags vorläufig festgenommen und der zuständigen Ermittlungsrichterin vorgeführt. Diese eröffnete ihm den Haftbefehl und belehrte ihn über sein Schweigerecht. Der Beschuldigte verlangte nach seinem Rechtsanwalt, welcher jedoch wegen einer dreistündigen Mittagspause nicht erreichbar war und erklärte, dass er sich zur Sache nicht äußern möchte. Die Richterin setzte die Befragung trotzdem fort und der Beschuldigte gestand schließlich, das Opfer zwei Mal gegen den Kopf getreten zu haben.
Angeklagter schweigt im Prozess – Zeugenaussagen einziges Beweismittel
In der Hauptverhandlung schwieg der Angeklagte, welcher mittlerweile von seinem Verteidiger vertreten wurde. Zu seinen Angaben im Ermittlungsverfahren hatte das Gericht die Ermittlungsrichterin und den Protokollführer vernommen. Der Verteidiger hatte sowohl der Vernehmung der Richterin als auch der Verwertung ihrer Aussage widersprochen. Das Landgericht hatte den Verwertungswiderspruch zurückgewiesen und den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und 6 Monaten verurteilt.
Schweigerecht = Kernbereich eines fairen Strafverfahrens
Mit seiner Verfahrensrüge hatte der Anwalt des Verurteilten vor dem BGH schließlich Erfolg. Die Vernehmungen der Ermittlungsrichterin und des Protokollführers sowie die Verwertung der Aussagen waren unzulässig. Die Belehrungspflichten über das Schweigerecht schützen die Selbstbelastungsfreiheit, welche im Strafverfahren von überragender Bedeutung sei, so der 3. Strafsenat. Der Grundsatz, dass niemand gezwungen sei, sich selbst zu belasten, gehöre zu den Grundprinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens.
BGH: Geständnis unterliegt einem Beweisverwertungsverbot
Entscheide sich daher der Beschuldigte, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen, sei dies von den Ermittlungsbehörden grundsätzlich zu respektieren. Stetige Nachfragen ohne unzureichenden Grund können daher das Schweigerecht entwerten. Gleiches gelte, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger konsultieren möchte. Die Ermittlungsrichterin hätte daher nach Ansicht des BGH mit der weiteren Befragung bis zum Ende der Mittagspause des Rechtsanwaltes warten müssen.
(BGH, Urteil v. 27.6.2013, 3 StR 435/12)
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