Reiserecht: Veranstalter darf nicht ungefragt Trinkgeld abbuchen

Ein Veranstalter von Kreuzfahrten darf nicht ohne Rücksprache pro Person und Nacht ein festes Trinkgeld vom Bordkonto des Reiseteilnehmers abbuchen. Ein „automatisches Trinkgeld“ existiert rechtlich nicht. Über die Vergabe von Trinkgeld entscheidet der Reisende allein.

Ein Veranstalter von Kreuzfahrten hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, pro Person und Nacht jedem Reisenden auf dem Bordkonto einen Betrag in Höhe von 10 Euro als „Trinkgeld“ zu belasten. Er rechtfertigte dies mit einer Regelung in seinem Reiseprospekt, das den Hinweis enthielt, dass „die Zahlung an der Rezeption gekürzt, gestrichen oder erhöht“ werden kann.

VZBV verklagt den Reiseveranstalter

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) beanstandete diese Regelung und mahnte den Kreuzfahrtveranstalter ab. Als dieser die Abgabe der geforderten strafbewehrten Unterlassungserklärung ablehnte, nahmen die Verbraucherschützer den Reiseveranstalter gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch.

Verstoß gegen Ausdrücklichkeitsgebot

Das LG teilte die Auffassung der Verbraucherschützer. Die entsprechende Regelung in den Allgemeinen Reisebedingungen des Reiseveranstalters erklärte das LG für unwirksam, weil es gegen das Gebot der Ausdrücklichkeit verstoße. Das Gericht stellt klar:

  • Zu einer Zahlung, die über die Hauptleistung hinausgeht, ist der Reisegast grundsätzlich nicht verpflichtet.
  • Eine automatische Belastung des Bordkontos ohne Rücksprache mit dem Reisenden ist deshalb rechtswidrig.
  • Die Angabe im Reiseprospekt, dass die Zahlung gekürzt, gestrichen oder erhöht werden kann, ist für eine automatische Abbuchung von Trinkgeld keine rechtlich hinreichende Grundlage.

Automatisierte Service-Entgelte sind in der Kreuzschifffahrt beliebt

In ähnlicher Weise hatten das OLG Bamberg und später der BGH im Falle der Broschüre eines Reiseunternehmens entschieden, die zuzüglich zum angegebenen Reisepreis auf ein „pro beanstandungsfreier Nacht“ auf einem Kreuzfahrtschiff zu zahlendes „Service-Entgelt“ verwies, ohne dieses in den Gesamtpreis einzubeziehen.

  • Das OLG und der BGH entschieden, dass eine solche Prospektangabe gegen § 1 Abs. 1 PAngV verstößt.
  • Die Tatsache, dass nicht das vom Verbraucherverband beklagte Reiseunternehmen, sondern das Schifffahrtsunternehmen Empfänger des obligatorisch zu zahlenden „Service-Entgeltes“ war, steht nach der Entscheidung der Bewertung als Preisbestandteil des zwingend anzugebenden Gesamtreisepreises nicht entgegen (BGH, Urteil v. 7.5.2015, I ZR 158/14).

Verstoß gegen das Gebot der Lauterkeit

Außerdem verstößt nach Auffassung des BGH ein solches Geschäftsgebaren gegen die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, da hierin eine Verletzung der  Marktverhaltensregel der geschäftlichen Lauterkeit liege.

Trinkgelder bleiben in der Entscheidungshoheit der Verbraucher

Die Entscheidungen der Gerichte stimmen sämtlich in der Tendenz überein, die Entscheidungsbefugnis über die Vergabe von besonderen „Service-Entgelten“ allein dem Verbraucher zu überlassen. Trinkgeld war und ist seinem Sinn nach immer Ausdruck der Anerkennung und Zufriedenheit eines Gastes mit der gebotenen Leistung und daher eine freiwillige Zugabe zum vereinbarten Entgelt. Es ist daher zu begrüßen, dass die Gerichte diese Selbstverständlichkeit unisono auch rechtlich bestätigen. Die Unterlassungsklage gegen den Kreuzfahrtveranstalter war somit im Ergebnis erfolgreich.

(LG Koblenz, Urteil v. 11.9.2017, 15 O 36/17)

 

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Schlagworte zum Thema:  Trinkgeld, Reisekosten, Verbraucherschutz