Beleidigung eines Polizisten rechtfertigt kein Schmerzensgeld  

Das LG Oldenburg wies die Schmerzensgeldklage eines Polizisten wegen übler Beschimpfungen ab. Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts eines Polizeibeamten begründe immer nur dann einen zivilrechtlichen Schmerzensgeldanspruch, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise ausgeglichen werden kann.

„Scheiß Bulle!“ Es ist nicht immer leicht, Polizist zu sein. Allzu oft vergisst auch „Otto Normalbürger“ seine guten Manieren, wenn er mit dem Gesetz in Konflikt gerät. Ist dann auch noch Alkohol mit im Spiel, stehen zumindest Verbalattacken schnell auf der Tagesordnung. Dass sich hier der Staatsbeamte und die Person hinter der Uniform gekränkt und verletzt fühlen, liegt auf der Hand. Aber das allein reicht nicht aus, einen Schmerzensgeldanspruch zu begründen.

Üble Beschimpfungen bei Blutentnahme

Der klagende Polizeibeamte bemerkte bei einem Radfahrer starken Alkoholgeruch in dessen Atem. Um eine Blutentnahme durchzuführen, nahm der Beamte ihn mit auf die nächste Dienstelle. Dort konnte später eine Blutalkoholkonzentration von 1,49 Promille beim Beklagten festgestellt werden. Bereits auf dem Weg zur Dienststelle machte der Betrunkene allerdings seinem Ärger Luft und beschimpfte den Polizisten u.a. als „Scheiß Bullenschwein“, „Arschwichser“ und „dummes Arschloch“.

Strafrechtliche Verurteilung: ja – aber Zivilklage blieb erfolglos

Mit rechtkräftigem Strafbefehl wurde der Beklagte am 27.12.2010 wegen Beleidung gem. § 185 StGB zu einer Geldstrafe von 800 EUR verurteilt. Die Zivilklage des Beamten auf Schmerzensgeld blieb jedoch erfolglos. Auch die hiergegen eingelegte Berufung beim LG Oldenburg wurde abgewiesen. Die Richter verneinten einen Anspruch auf Schmerzensgeld gemäß § 823 Abs. 1, 2 BGB, § 185 StGB, Art. 1, 2 GG.

Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht schwerwiegend

Die Beleidigungen stellen nach Ansicht der Richter einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Jedoch bedarf es nach Rechtsprechung des BGH (BGHZ, 128, 1 [12], 132, 13 [27]) für eine Geldentschädigung einer schwerwiegenden Verletzung des Persönlichkeitsrechts und der mangelnden Möglichkeit anderweitiger Genugtuung. Die Beleidigungen müssen geeignet sein, den sich aus der Menschenwürde ergebenden Achtungsanspruch zu verletzen. Dabei ist immer der Gesamtzusammenhang zu betrachten - insbesondere

  • die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs,
  • der Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie 
  • der Grad seines Verschuldens.

Spontane Äußerung eines Betrunkenen

Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Beschimpfungen lediglich um situationsbedingte spontane Äußerungen des Beklagten gehandelt habe. Entlastend komme hinzu, dass der Beklagte tatverdächtigt und alkoholbedingt enthemmt war. Eine tiefgreifende Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 und 2 GG) lag nicht vor. Die Äußerungen waren nicht geeignet, persönliche Eigenschaften und Merkmale, die das Wesen des Klägers ausmachen, zu verleugnen oder herabzusetzen. Sie bezogen sich nicht auf die Person des Klägers, sondern richteten sich primär gegen dessen Funktion als Polizeibeamter. Der Kläger selbst habe das Vorliegen einer schwerwiegenden körperlichen oder seelischen Beeinträchtigung auch nicht vorgetragen.

BGH zur Rechtsnatur des Schmerzensgeldes bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts

Bei ihrer Entscheidung ließen die Richter nicht außer Acht, dass es bei der Entschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Ansicht des BGH nicht um Schmerzensgeld im eigentlichen Sinne handelt. Ohne diesen Rechtsbehelf blieben allerdings Verletzungen der Menschenwürde oft sanktionslos. Anders als beim Schmerzensgeldanspruch wegen Körperverletzung steht bei der Zubilligung einer Geldentschädigung wegen Beleidigung neben der Genugtuung des Opfers insbesondere die Prävention im Vordergrund.

Verhängung eines Schmerzensgeldes nicht geboten

Die Verurteilung des Beklagten zu einer Geldstrafe wegen Beleidigung stellt nach Ansicht der Richter einen hinreichenden Ausgleich für die Rechtsbeeinträchtigung des Klägers dar. Möglich und auch begründet wäre zudem eine zivilrechtliche Unterlassungsklage. Daher ist eine Geldentschädigung auch aus präventiven Gründen nicht geboten. Denn die Verhängung eines zusätzlichen – und bei bloßen Beleidigungen immer auch sehr geringen –  Schmerzensgeldes würde keinen weitreichenderen Schutz vor Wiederholungen bieten als die zivilrechtliche Unterlassungsklage und strafrechtliche Sanktionen.

(LG Oldenburg, Hinweisbeschluss v. 7.2.2013, 5 S 595/12).

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