Aufklärungspflichten verletzt: BGH-Entscheidung zu kreditfinanzie

Zu den undurchsichtigen Wealthmaster Nobel-Policen des britischen Versicherers Clerical Medical gibt es eine Vielzahl von Klagen. Jetzt hat erstmals der BGH ein Grundsatzurteil zu den umstrittenen Anlagemodellen gefällt. Sie birgt einige Chancen für die Betroffenen.

Das Geschäft mit kreditfinanzierten Lebensversicherungen des Typs „Wealthmaster Nobel“des britischen Versicherers Clerical Medical ist für viele Anleger nicht aufgegangen. Auf die Enttäuschung folgte eine Klagewelle. Mehr als 1.000 Verfahren sind bundesweit gegen den Versicherer anhängig. Jetzt hat sich der BGH zu dem schwer durchschaubaren Konstrukt geäußert. Das Problem des Anlagemodells: es war kompliziert und intransparent. Und es schürte bei Anlegern, die die Policen in den Jahren 2001 und 2002 kauften, Erwartungen auf unrealistisch hohe Renditen.

Hochkompliziertes Anlagemodell

Konkret sah das Anlagemodell so aus: Anleger erwarben bei diesen anteilsgebundenen Lebensversicherungen gegen Zahlung eines Einmalbetrags Anteile an einem „Pool mit garantiertem Wertzuwachs“, dem Euro-Pool 2000Eins.

Die Verträge sind eingebettet in ein Anlagemodell namens Europlan. Dieses sieht vor, dass die Zinsen für das kreditfinanzierte Bankdarlehen durch vertraglich bedungene Auszahlungen aus der Lebensversicherung zu entrichten sind. Das Bankdarlehen soll bei Fälligkeit durch einen Investmentfonds getilgt werden. Über den Tilgungszeitpunkt hinausreichende Zahlungen sollten den Versicherungsnehmern als fortlaufende Rente zufließen.

Der Wertzuwachs der den Versicherungsnehmern zugeteilten Poolanteile reichte aber nicht aus, um die anfangs getätigten Auszahlungen zu decken. Unter Berufung auf die Versicherungsbedingungen reduzierte die beklagte Versicherung daraufhin die Anzahl der den Klägern zugewiesenen Anteile und damit den jährlich mitgeteilten Vertragswert.

Kläger fordern Schadensersatz wegen Verletzung von Aufklärungspflichten

Die Kläger wollten in erster Linie Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit den Vertragsabschlüssen durchsetzen. Sie werfen der Versicherung vor, mit unrealistischen Renditen geworben zu haben und wollten insbesondere von den Verbindlichkeiten aus den Darlehensverträgen freigestellt werden. Hilfsweise verlangten sie die Erfüllung des Auszahlungsplans ohne Rücknahme von Anteilen.

Zu den Schadensersatzansprüchen der Anleger hatte das OLG Stuttgart in der Vorinstanz die beklagte Versicherung zur Erfüllung der in den Versicherungsscheinen festgelegten Auszahlungspläne verurteilt. Die primär geltend gemachten Schadensersatzansprüche hatte es im Hinblick auf das Bestehen dieser Erfüllungsansprüche abgewiesen.

BGH bestätigt im Gegensatz zur Vorinstanz Schadensersatzansprüche

Der BGH hat nun entschieden, dass die Schadensersatzansprüche nicht allein wegen des Bestehens der Auszahlungsansprüche abgewiesen werden dürfen.

Dass ein derartig verschachteltes Produkt enorm erklärungspflichtig ist, liegt auf der Hand. Dass die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass sowohl die beteiligten Vermittler als auch die Kunden dieses Konstrukt nicht in vollem Umfang durchschauen, ebenso.

Die BGH-Richter sahen denn auch, dass die Versicherung ihren Aufklärungspflichten nicht nachgekommen ist. Der Abschluss der Lebensversicherung stelle sich bei wirtschaftlicher Betrachtung in erster Linie als Anlagegeschäft dar, so der Senat. Die beklagte Versicherung hätte deshalb bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen vollständig über alle Umstände informieren müssen, die für einen Anlageentschluss von Bedeutung waren. Dass die Produkte von einem Strukturvertrieb und dessen Untervermittlern verkauft wurden, ändert daran nichts. Die Versicherung muss sich nach § 278 BGB Handeln und Erklärungen der Untervermittler zurechnen lassen.

Versicherer zeichnete unzutreffend positives Bild

Den Anlegern ist ein unzutreffend positives Bild der Rendite gezeichnet worden. Der BGH bemängelte besonders die Renditeprognosen von 8,5 Prozent. Der Versicherer habe in den Hinweisen zu den Musterberechnungen nicht hinreichend deutlich gemacht, dass er selbst nur sechs Prozent als realistisch angesehen hat.

Die Versicherung hätte zudem verständlich das praktizierte Glättungsverfahren („smoothing“) erklären müssen. Das stellt der Versicherung frei, darüber zu entscheiden, in welcher Höhe eine tatsächliche Rendite an die Versicherungsnehmer weitergegeben wird und in welcher Höhe sie in Reserven fließt.  Dass stille Reserven dazu verwendet werden können, um Garantieansprüche der Anleger anderer Pools zu erfüllen, gehört ebenfalls zu den Aufklärungspflichten des Versicherers.

Im Ergebnis wurden alle fünf Berufungsurteile an die Oberlandesgericht Stuttgart und Karlsruhe zurückverwiesen.

(BGH, Urteil v. 11.07.2012, IV ZR 151/11 und 164/11).

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