Seit nunmehr dreieinhalb Jahren ist das neue Unterhaltsrecht in Kraft. Mit dem Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21.12.2007 (BGBl. I S. 3189) hat der Gesetzgeber zum 01.01.2008 das Unterhaltsrecht reformiert und an die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse sowie den eingetretenen oder vermuteten Wertewandel angepasst.

Mit der Reform sollten das Kindeswohl gestärkt, Zweitfamilien wirtschaftlich entlastet und das Unterhaltsrecht vereinfacht werden. Die Gesetzesänderungen sollten außerdem im Interesse der Kinder zu mehr Verteilungsgerechtigkeit im Mangelfall und zu mehr nachehelicher Eigenverantwortung geschiedener Ehegatten führen.

Unter diesen Prämissen wurden insbesondere der nacheheliche Unterhalt grundlegend umgestaltet und der Unterhaltsanspruch wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes (§ 1615 l Abs. 2 BGB) an den nachehelichen Anspruch auf Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB) weitgehend aneinander angeglichen.

Jede dritte Ehe geschieden – Gesetzgeber verlangt mehr nacheheliche Eigenverantwortung

Mit der Unterhaltsrechtsreform wollte der Gesetzgeber wohl auch der statistischen Wahrheit Rechnung tragen, dass heutzutage jede dritte Ehe geschieden wird. Dementsprechend hat er den unterhaltsrechtlichen Grundsatz der nachehelichen Eigenverantwortung wieder mehr in den Vordergrund gerückt und sich von dem bisherigen Bild der Hausfrauen- bzw. Versorgungsehedistanziert. Eine unbegrenzte Lebensstandardgarantie sollte es nach dem erklärten Willen des Reformgesetzgebers gerade nicht mehr geben. Diesem neuen Ansatz liegt die sog.Doppelverdiener-Ehe, in der beide Elternteile berufstätig sind, zugrunde.

Dem geschiedenen Ehegatten obliegt es nunmehr nach der Scheidung grundsätzlich selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, wenn er dazu in der Lage ist. Mit § 1578b BGB hat der Gesetzgeber zudem die Möglichkeit geschaffen, den nachehelichen Unterhalt im Einzelfall unter Billigkeitsgesichtspunkten herabzusetzen oder zeitlich zu befristen.

Rangfolge im Mangelfall geändert

Darüber hinaus wurde die Verteilung der Geldmittel bzw. die Rangfolgeder Unterhaltsberechtigten im Mangelfall neu geregelt.

  • Minderjährigen Kindern ist nunmehr im Mangelfall der erste Rang zugewiesen,
  • geschiedene und neue Ehegatten sind im Rang grundsätzlich gleichgestellt,
  •  sofern nicht ein Ehegatte wegen Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt ist oder die Ehe von langer Dauer war (vgl. § 1609 Nr. 2 BGB).

Bundesverfassungsgericht hatte Änderungen gefordert

Notwendig geworden war die Unterhaltsreform durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2007.

Hintergrund:

Das Bundesverfassungsgericht hatte mit Beschluss v. 28.2.2007 (1 BvL 9/04, FamRZ 2007, 965; NJW 2007, 1735) festgestellt, dass die nach früherem Recht geltende unterschiedliche Dauer von Unterhaltsansprüchen für die Betreuung ehelicher und nichtehelicher Kinder nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist und den Gesetzgeber zu einer Neuregelung aufgefordert.

Das Ergebnis der gesetzgeberischen Überlegungen war jedoch nicht etwa die Ausweitung des Unterhaltsanspruchs aus Anlass der Geburt für Nichtverheiratete; vielmehr wurde der Geschiedenenunterhalt wegen Betreuung eines Kindes auf das Niveau des Nichtehelichenunterhalts abgesenkt.

Von heute auf morgen wieder arbeiten?

Mit zum Teil weit reichenden Folgen für die in der Regel Kinder betreuenden Frauen, die sich nun von heute auf morgen einer völlig veränderten Versorgungslage ausgesetzt sehen.

Rückblick: Das „Altersphasenmodell“ nach früherem Recht

Nach dem von der Rechtsprechung unter der Geltung des früheren Rechts entwickelten Altersphasenmodell wurde dem betreuenden Elternteil bis zum 8. Lebensjahr des Kindes keine Erwerbstätigkeit zugemutet. War das Kind zwischen 8 und 11 Jahre alt, kam es auf den Einzelfall an, ob zumindest eine Teilzeittätigkeit aufgenommen werden musste. Bei einem 11 bis 15-jährigen Kind war nach der Rechtsprechung in der Regel eine Halbtagstätigkeit zumutbar. Erst danach musste der kinderbetreuende Ehegatte wieder eine Vollzeitbeschäftigung aufnehmen.

Dieses Altersphasenmodell gilt seit Inkrafttreten der Unterhaltsreform als abgeschafft, auch wenn einige Gerichte aus praktischen Gründen zunächst eine Anknüpfung an das frühere Modell erwogen hatten.

Betreuungsunterhalt nur noch für 3 Jahre nach der Geburt

Seit dem 01.01.2008 haben Mütter und Väter, die ihr Kind betreuen, zunächst für die Dauer von drei Jahren nach der Geburt des Kindes Anspruch auf Betreuungsunterhalt - unabhängig davon, ob sie verheiratet waren oder nicht. Unterhaltsberechtigte Mütter, die nach dem alten Recht bis zum 15. Lebensjahr des Kindes nicht oder nur eingeschränkt erwerbstätig sein mussten, müssen nun also  grundsätzlich drei Jahre nach der Geburt wieder arbeiten gehen. Eine Verlängerung  des Unterhalts ist lediglich unter Billigkeitsgesichtspunkten möglich.

  • Maßgeblich sind in erster Linie die Belange des Kindes. Ab dem Alter von drei Jahren sind - korrespondierend mit dem gesetzlichen Anspruch auf einen Kindergartenplatz - aber vorrangig die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu nutzen. Den Vorrang der persönlichen Betreuung durch die Eltern hat der Gesetzgeber mit der Reform aufgegeben.
  • Darüber hinaus kann der Betreuungsunterhalt aus Gründen der nachehelichen Solidarität verlängert werden. So können etwa elternbedingte Gründe wie die in der Ehe praktizierte Rollenverteilung und die bisherige gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung ebenfalls zu einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts führen. Damit wird das Vertrauen geschützt, das in einer Ehe aufgrund der Rollenverteilung und der Ausgestaltung der Kinderbetreuung entstanden ist.

Der Kurswechsel des BGH beim Ehegattenunterhalt oder: Das Märchen von den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen

Der Bundesgerichtshof nahm die Unterhaltsreform aber auch zum Anlass, um – ohne Not - seine Rechtsprechung zum nachehelichen Unterhalt geschiedener Ehegatten, in den Fällen zu ändern, in denen der Unterhaltspflichtige nach der Scheidung eine neue Familie gründet und somit selbst neue Unterhaltsberechtigte „schafft“.

Waren auch nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH für den Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten grundsätzlich die ehelichen Lebensverhältnisse zum Stichtag der Rechtskraft der Scheidung maßgebend (vgl. § 1578 BGB), bezog er nach dem nun vertretenen Konzept der „wandelbaren ehelichen Lebensverhältnisse“ plötzlich auch nacheheliche Änderungen der Einkommensverhältnisse wie z.B. durch neu hinzukommende Unterhaltspflichten für einen neuen Ehepartner oder nacheheliche Kinder in die Unterhaltsberechnung mit ein.

Heiratete der Unterhaltspflichtige nach der Scheidung erneut, berechnete der BGH den Unterhaltsanspruch jetzt, indem er die Einkommen des Unterhaltspflichtigen, der geschiedenen Ehefrau und der neuen Frau addierte und durch drei teilte (sog. Dreiteilungs- oder Drittelmethode).

Bundesverfassungsgericht verwirft neue BGH-Rechtsprechung zum nachehelichen Unterhalt: Dreiteilungsmethode verfassungswidrig

Mit Beschluss vom 25.01.2011 (Az: 1 BvR 918/10) hat das Bundesverfassungsgericht  diese Berechnungsmethode für verfassungswidrig erklärt und dem BGH eine fehlerhafte Gesetzesauslegung vorgeworfen.

Die vom BGH zur Auslegung des § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB entwickelte Rechtsprechung zu den „wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen“ unter Anwendung der so genannten „Dreiteilungsmethode“ löse sich von dem Konzept des Gesetzgebers zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts und ersetze es durch ein eigenes Modell. Mit diesem Systemwechsel überschreite der BGH die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildungund verletze die von Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, so das BVerfG.

Der Gesetzgeber habe ja mit seiner Reform 2008 einiges geändert, an der Grundstruktur der Unterhaltsberechnung aber festgehalten, insbesondere hinsichtlich der Ausrichtung des Unterhaltsmaßes an den individuellen ehelichen Lebensverhältnissen der geschiedenen (!) Ehegatten, die der Gesetzgeber nach wie vor zum Zeitpunkt der Scheidung bestimmt wissen will. Über dieses auch nach der Reform beibehaltene Konzept setze sich der BGH einfach hinweg, indem er einen Systemwechsel vornimmt, bei dem sie die gesetzgeberische Grundentscheidung zur Bestimmung des Unterhaltsbedarfs durch eigene Gerechtigkeitsvorstellungen ersetzt.

Damit ist die seit 2008 ergangene Rechtsprechung zum nachehelichen Unterhalt, soweit dieser bei Hinzutreten eines neuen Unterhaltspflichtigen mit der Drittelmethode berechnet wurde, Makulatur. Die Fachgerichte werden den vom BVerfG vorgegebenen Kurs zu befolgen haben und nun zwangsläufig wieder das alte Verfahren zur Unterhaltsberechnung nach der  sog. Additions- bzw. Differenzmethode anwenden müssen.

Immerhin sind einige Streitfragen nun höchstrichterlich geklärt, vieles ist allerdings noch offen und umstritten. Wir haben Ihnen die wichtigsten Entscheidungen zum neuen Unterhaltsrecht zusammengestellt.

  
-BGH, Urteil vom 18.3.2009, XII ZR 74/08
-OLG Düsseldorf, Urteil v. 7.10.2009, II-8 UF 32/09
-OLG Frankfurt, Urteil v. 4.11.2009, 2 UF 43/09
-OLG Hamm, Urteil vom 3.3.2010, 5 UF 145/09
-OLG Celle, Urteil vom 11.3.2010, 17 UF 154/09
-OLG Koblenz, Beschluss vom 16.3.2010, 11 UF 532/09
-BGH, Urteil vom 17.3.2010, XII ZR 204/08
-BGH, Urteil vom 24.3.2010, XII ZR 175/08
-BGH, Urteil vom 14.4.2010, XII ZR 89/08
-BGH, Urteil vom 21.4.2010, XII ZR 134/08
-BGH, Urteil vom 28.4.2010, XII ZR 141/08
-BGH, Urteil vom 26.5.2010, XII ZR 143/08
-BGH, Urteil vom 2.6.2010, XII ZR 138/08
-BGH, Urteil vom 30.6.2010, XII ZR 9/09
-BGH, Urteil vom 6.10.2010, XII ZR 202/08