Eheverträge: Nichtigkeit bei einseitiger Benachteiligung

Ein Ehevertrag kann wegen insgesamt einseitiger Benachteiligung eines Ehepartners sittenwidrig sein, wenn bei Vertragsabschluss die unterlegene Verhandlungsposition eines Ehepartners ausgenutzt wurde. Die Sittenwidrigkeit kann der Benachteiligte auch noch nach dem Tod des anderen Ehepartners geltend machen.

Dies hat das OLG Oldenburg entschieden. Ein Betriebsinhaber, der eine 20 Jahre jüngere Auszubildende geschwängert hatte, erklärte sich bereit, diese zu ehelichen, falls sie auf ihre durch die Ehe begründeten materiellen Ansprüche für den Fall der Trennung und der Scheidung weitgehend verzichte. Vor der Heirat schlossen die beiden einen Ehevertrag, wonach die Auszubildende teilweise auf Unterhalt, auf Zugewinn sowie auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs für den Fall der Trennung und Scheidung verzichtete. Kurz vor der Eheschließung hatte der Ehemann nochmals ausdrücklich gedroht, die bereits organisierte Hochzeitsfeier abzusagen, falls die Ehefrau vor der Eheschließung nicht unterschreibe.

Ehefrau beansprucht volles Erbrecht

Nachdem der Ehemann verstorben war, machte die Ehefrau Ansprüche auf Zugewinnausgleich geltend und forderte auf dieser Grundlage einen entsprechend deutlich erhöhten Anteil an dem Nachlass. Demgemäß beantragte sie einen Erbschein auf der Grundlage der nach ihrer Auffassung bestehenden Zugewinngemeinschaft, die durch den sittenwidrigen Ehevertrag nicht wirksam ausgeschlossen worden sei. Das AG hielt den Ehevertrag für wirksam und wies ihre Klage auf Erteilung eines solchen Erbscheins ab.

Unwirksamkeit eines Ehevertrages trotz zulässiger Einzelregelungen

Das OLG sah die Sache anders und berief sich dabei auf einen kurz zuvor vom BGH entschiedenen Fall. Dort hatte der BGH einen Ehevertrag, der eine ganze Reihe im einzelnen rechtlich zulässiger Regelungen zu Ungunsten der Ehefrau enthielt in seiner Gesamtheit als sittenwidrig bewertet, weil einer der Ehepartner seine einseitige Dominanz zu Ungunsten des anderen Ehegatten ausgenutzt und damit einen in seiner Gesamtheit unausgewogenen Vertragsabschluss herbeigeführt hatte, der – so der BGH - von einer erheblichen Störung der subjektiven Vertragsparität getragen war. Aus der einseitigen Ausnutzung dieser wirtschaftlichen und intellektuellen Überlegenheit folgerte der BGH die Sittenwidrigkeit des Gesamtvertrages (BGH, Urteil v. 15.3.2017, XII ZB 109/16).

Sozial stärkere Position sittenwidrig ausgenutzt

Ähnlich bewerteten die OLG-Richter den ihnen zur Entscheidung vorgelegten Fall. Auch hier habe der Ehemann einseitig seine wirtschaftlich deutlich stärkere Position ausgenutzt und seine Ehefrau zu einer einseitigen Aufgabe nahezu sämtlicher im Rahmen einer Ehe typischen Rechtspositionen bewegt. Er habe als Betriebsinhaber seine wirtschaftliche und soziale Überlegenheit gegenüber der 20 Jahre jüngeren Auszubildenden benutzt, um seine zukünftige Ehefrau zu weitgehenden Rechtsverzichten zu bewegen, ohne dass dieser Verzicht in vermögensrechtlicher Hinsicht in irgendeiner Weise kompensiert worden wäre. Der Ehefrau fehle bei Anwendung des Ehevertrages jegliche wirtschaftliche Absicherung.

Ehefrau hat vollen Erbanspruch

In der Konsequenz kamen die OLG Richter zu dem Ergebnis, dass die Ehefrau aufgrund der Sittenwidrigkeit des Gesamtvertrages ihre gesamten, ihr nach dem Gesetz zustehenden Rechte weiterhin geltend machen kann, darunter auch den Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns. Gegenüber den Miterben bedeutet dies eine erhebliche Erhöhung des Erbanteils der Ehefrau, § 1371 BGB.

(OLG Oldenburg, Beschluss v. 10.5.2017, 3 W 21/17 NL)

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