Der BGH stellte klar, dass Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten im Hinblick auf den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen präzise formuliert sein sollten. Allgemeine Anweisungen, beispielsweise ein würdevolles Sterben zu ermöglichen, wenn ein Therapierfolg nicht zu erwarten sei, reichen dabei keinesfalls aus. Schwierig ist auch eine Gemengelage von Vollmachten.
Eine 70-Jährige erlitt im Jahr 2011 einen Hirnschlag und wurde seitdem über eine Magensonde künstlich ernährt. Schließlich kam sie in ein Pflegeheim und war nach mehreren epileptischen Anfällen im Frühjahr 2013 nicht mehr ansprechbar.
Lebensverlängernde Maßnahmen sollen unterbleiben
Die Betroffene hatte im Jahr 2003 und 2011 zwei wortlautidentische Patientenverfügungen verfasst.
- In den Patientenverfügungen hatte sie festlegt, dass „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollten, wenn aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe.
- Darüber hinaus erhielt eine ihrer drei Töchter beim Notar eine Generalvollmacht, welche auch zur Vertretung in Fragen der medizinischen Versorgung berechtigte.
Streit zwischen den Töchtern
Die Generalvollmacht enthielt zudem die Befugnis, über den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen zu entscheiden.
- Die Mutter stellte diesbezüglich klar, dass sie im Falle einer zum Tode führenden Krankheit keinen Wert auf lebensverlängernde Maßnahmen lege, wenn eine Besserung des Zustands nicht zu erwarten sei.
- Die bevollmächtigte Tochter und die behandelnde Ärztin waren der Ansicht, dass ein Abbruch der künstlichen Ernährung derzeit nicht dem Willen der Mutter entsprach.
- Die beiden anderen Töchter vertraten die gegenteilige Meinung und verlangten einen gerichtlich bestellten Kontrollbetreuer, der die Vollmachten der Schwester widerrufen sollte.
„Keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ keine konkrete Behandlungsentscheidung
Nach Ansicht des BGH waren die von der Betroffenen verfassten schriftlichen Patientenverfügungen sowie die in der notariellen Vollmacht enthaltenden Äußerungen unzureichend.
Nach § 1901 a Abs. 1 BGB entfalte eine Patientenverfügung nur dann Bindungswirkung, wenn dieser „konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden“ könnten.
Zwar dürften die Anforderungen nicht überspannt werden, der Betroffene müsse aber umschreibend festlegen, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation wolle und was nicht.
- Vorliegend sei nicht erkennbar, ob auch die künstliche Ernährung von der Ablehnung der lebenserhaltenden Maßnahmen mit umfasst war.
- Zudem sei unklar, ob sich die dritte bevollmächtigte Tochter offenkundig über den Willen der Mutter hinweggesetzt habe.
Nur dann kann eine Kontrollbetreuung angeordnet werden. Das Landgericht Mosbach muss daher prüfen, ob es mündliche Äußerungen der Betroffenen hinsichtlich eines Abbruchs einer künstlichen Ernährung im Falle einer schweren Erkrankung gegeben habe.
(BGH, Beschluss v. 06.07.2016, XII ZB 61/16)
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