BGB § 823 Abs. 5 S. 2 § 434 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
a) Zur Auslegung der Angabe "Unfallschäden lt. Vorbesitzer Nein" beim Kauf eines Gebrauchtwagens von einem Fahrzeughändler.
b) Die "Pflichtverletzung", die in der Lieferung eines Gebrauchtwagens mit dem unbehebbaren Mangel der Eigenschaft als Unfallwagen liegt, ist i.S.v. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB unerheblich, wenn sich der Mangel allein in einem merkantilen Minderwert des Fahrzeugs auswirkt und dieser weniger als 1 % des Kaufpreises beträgt (im Anschluss an die Senatsurt. v. 14.9.2005 – VIII ZR 363/04, WM 2005, 2293, unter B II 2, und vom 10.10.2007 – VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53, unter II 2).
BGH, Urt. v. 12.3.2008 – VIII ZR 253/05
Sachverhalt
Der Kläger hat die Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufs von dem beklagten freien Kraftfahrzeughändler verfolgt. Er kaufte am 24.5.2004 von der Beklagten einen gebrauchten Personenkraftwagen M mit Erstzulassung vom 25.7.2001 und einer Laufleistung von 54.159 Kilometern zum Preise von 24.990 EUR. In dem Bestellformular war in der Rubrik "Unfallschaden lt. Vorbesitzer" maschinenschriftlich "Nein" eingetragen. Die Beklagte hatte das Fahrzeug mit entsprechender Angabe von einer M Vertretung gekauft.
Bei Untersuchungen anlässlich eines geplanten Weiterverkaufs des Fahrzeuges im August 2004 stellte der Kläger fest, dass das Fahrzeug am Heck einen Unfallschaden erlitten hatte. Er erklärte daraufhin den Rücktritt. Die Beklagte weigerte sich den Kaufvertrag rückabzuwickeln und bot eine Reparatur an.
Nach der Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens hat der Kläger die Beklagte auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges und des Fahrzeugbriefs unter Abzug einer Nutzungsentschädigung in Anspruch genommen. Der Kläger hat behauptet, der von einem Fachmann mit bloßem Auge erkennbare unfallbedingte Mangel sei nicht ordnungsgemäß repariert worden. Die Reparaturkosten betrügen 1.020 EUR, der merkantile Minderwert beliefe sich entgegen der Angabe des Gutachters nicht auf lediglich 100 EUR, sondern auf 3.000 EUR. Das OLG hat das stattgebende Urt. des LG abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Revision führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
Aus den Gründen
[5] “Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
[6] I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
[7] Ein Sachmangel liege nicht schon deshalb vor, weil das Kraftfahrzeug einen Unfallschaden erlitten habe. Nach § 434 Abs. 1 BGB sei entscheidend die Beschaffenheitsvereinbarung. Im Kraftfahrzeughandel sei zu differenzieren zwischen Wagen aus erster Hand, die privat verkauft würden, und Händlerfahrzeugen. Bei einem privat verkauften Fahrzeug aus erster Hand möge – je nach Gestaltung des Einzelfalls – unter Umständen stillschweigend vereinbart sein, dass das Fahrzeug unfallfrei sei. Anders verhalte es sich aber bei einem Verkauf durch einen Händler, der bezüglich der Unfallfreiheit keine eigenen Kenntnisse habe, insbesondere dann, wenn der Kaufvertrag die Angabe “lt. Vorbesitzer’ enthalte. Dann beziehe sich der Verkäufer ersichtlich auf die Angaben des Vorbesitzers. Es handele sich um eine Wissenserklärung, für die der Verkäufer nicht einstehen wolle. Das gelte jedenfalls für das streitgegenständliche fast drei Jahre alte Kraftfahrzeug mit einer Laufleistung von mehr als 50.000 km.
[8] Die Beklagte habe die Unfalleigenschaft auch nicht arglistig verschwiegen (§ 444 BGB). Bei ihr seien Lackschäden, die auf einen Unfall hindeuten könnten, nicht aufgefallen. Zu einer gezielten Untersuchung auf Unfallschäden sei sie daher nicht verpflichtet gewesen. Die Beklagte habe das Fahrzeug lediglich im Zuge einer “Ankaufsinspektion’ von einer fremden Werkstatt überprüfen lassen. Ein etwaiges Verschulden dieser Werkstatt müsse sie sich nicht gem. § 278 BGB anrechnen lassen, da die Werkstatt nicht ihre Erfüllungsgehilfin sei.
[9] II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
[10] 1. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der von dem Kläger gegen die Beklagte geltend gemachte Anspruch aus der kaufrechtlichen Sachmängelhaftung auf Rückabwicklung des Kaufvertrages vom 24.5.2004 nicht verneint werden. Auf der Grundlage des in der Revisionsinstanz zu Grunde zu legenden Sach- und Streitstandes hat das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, dass der Kläger nicht zum Rücktritt vom Kaufvertrag (§§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 326 Abs. 5, 323 BGB) berechtigt sei, weil das gekaufte Fahrzeug keinen Sachmangel (§ 434 BGB) aufweise.
[11] Das Berufungsgericht ist gem. dem Vortrag des Klägers – stillschweigend – davon ausgegangen, dass das Fahrzeug bereits bei Gefahrübergang durch Übergabe an den Kläger (§ 446 BGB) den später festgestellten Unfallschaden an der Heckklappe aufwies. Hierin hat es jedoch bei dem hier gegebenen Kauf eines Gebrauchtwagens vom Händler insbesondere wegen der Angabe der Beklagten im Bestellformular “Unfallschäden lt. Vorbesitzer Nein’ keinen Sachmangel gesehen. Das ist, wie die Revision mit...