Das ist im Grunde keine Besonderheit des Erbrechts, sondern ein Rechtsgrundsatz unserer Verfassung der Freiheit. Er trägt auch das Gesellschaftsrecht. Ein Unternehmen in einer bestimmten Rechtsform zu betreiben, das ist die freie Entscheidung der Gesellschafter. Bei der Kommanditgesellschaft (§ 161 Abs. 1 HGB) kann in der Beteiligungsform zwischen der Position als Komplementär mit unbeschränkter Haftung und der Stellung als Kommanditist mit beschränkter Haftung gewählt werden.[30]

Das ist Ausdruck kulturhistorischer Entwicklung im Sinne praktischer Vernunft. Menschen sind jeweils nur in einem bestimmten Maß bereit und in der Lage, unternehmerische Risiken zu tragen. Die Rechtsordnung hat den Rahmen vorzuhalten, der angemessene Entscheidungsfreiheit gewährt.[31] Das hat der Bundesgerichtshof bereits im Grunde bestätigt: Der durch Erbschaft der Beteiligung des einzigen Komplementärs zum Alleininhaber des Gesellschaftsvermögens gewordene Kommanditist kann die gemeinhin ausgelöste unbeschränkte Haftung vermeiden. Die klare Begründung: Jene Rechtsstellung ist ihm "ohne seinen Willen zugefallen".[32]

Die Freiheitsverfassung ist umfassend zu denken. Ein Zwang für den Kommanditisten-Erben, bei einem – aus seiner (der entscheidenden) Sicht – übermäßigen gesellschaftsrechtlichen Haftungsrisiko das Erbe faktisch insgesamt ausschlagen zu müssen,[33] passt nicht in diese Rechtsordnung; weder teleologisch noch systematisch. Er schadet der für ein freiheitliches Gemeinwesen notwendigen Unternehmerkultur.

[30] Die Denkschrift zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuchs und eines Einführungsgesetzes idF der dem Reichstag gemachten Vorlage, 1897, S. 119, sieht darin das "Wesen" der KG. Vgl. Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB, 67. Aufl. 2008, Einf. v. § 21 Rn 14 (Vereinsfreiheit); ebenda Sprau, § 705 Rn 10 f (Gesellschaftsvertrag). Bork/Jacoby, ZGR 2005, 611 ff (zu § 131 Abs. 3 HGB).
[31] Näher Luttermann, Unternehmen, Kapital und Genußrechte. Eine Studie über Grundlagen der Unternehmensfinanzierung und zum internationalen Kapitalmarktrecht, 1998.
[32] BGHZ 113, 132 (= juris, Rn 8, zu §§ 27, 139 HGB).
[33] Siehe oben 3. c) und 4.

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