Verfahren auf Entziehung des Sorgerechts nach § 1666, 1666a BGB werden im Regelfall durch einen Antrag des Jugendamtes eingeleitet. Das Jugendamt soll das Familiengericht bei allen Maßnahmen unterstützen, die die Sorge für die Person von Kindern und Jugendlichen betreffen (§ 50 SGB VIII). Es nimmt dabei eine eigenverantwortlich zu erfüllende Aufgabe als sozialpädagogische Fachbehörde wahr (Röchling ZfJ 2004, 257; Trenczek ZKJ 2009, 97). Deren Aussagen sind genau zu analysieren und mit anderen Informationen abzugleichen. Das Gericht ist nicht an die Einschätzung des Jugendamtes gebunden.
Es bestehen besondere Anforderungen an die gerichtlichen Ermittlungen (Amtsermittlungsgrundsatz – § 26 FamFG, vgl. BVerfG FamRZ 2002, 1021). So hat der EGMR (EGMR FamRZ 2013, 845) eine Sorgerechtsentscheidung wegen Verstoßes gegen Art. 8 EMRK (Recht auf Familienleben) beanstandet, in der den Eltern das Sorgerecht für ihre beiden Kinder entzogen worden war, ohne dass die Vorwürfe der Kinder (massive Schläge, starkes Unterdrucksetzen im Hinblick auf gute Schulnoten) nach § 26 FamFG aufgeklärt worden seien, z.B. durch ein Glaubwürdigkeitsgutachten oder andere objektive Beweise. Im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes ist auch zu klären, ob der Gefährdung des Kindes durch öffentliche Hilfen begegnet werden kann.
Auch im summarischen Verfahren werden teilweise an die Sachverhaltsermittlung hohe Anforderungen gestellt (OLG Saarbrücken OLGR 2007, 492; Anm. Völker jurisPR-FamR 12/2007, Anm. 3), die umso höher sind, je geringer der ggf. eintretende Schaden des Kindes wiegt und in je größerer zeitlicher Ferne der zu erwartende Schadenseintritt liegt.
Hinweis:
Die hinreichende Tatsachengrundlage für seine Entscheidung muss das Gericht näher dartun (BVerfG NJW 2010, 2333; FamRZ 2010, 713).
In einem Anhörungstermin gem. § 157 FamFG sind mit den Eltern (und ggf. dem Kind) die Möglichkeiten der Vermeidung von Sorgemaßnahmen durch anderweitige Hilfe zu erörtern, das persönliche Erscheinen der Eltern ist daher anzuordnen, § 157 Abs. 2 FamFG. Auf die persönliche Anhörung des betroffenen Elternteils und des Kindes kann nicht verzichtet werden (OLG Celle FamRZ 2013, 1681). Das Jugendamt ist zu laden, § 157 Abs. 1 S. 3 FamFG. Muss eine Sofortmaßnahme ergehen, so ist die Anhörung unverzüglich nachzuholen.
Nach § 158 Abs. 2 Nr. 2 FamFG ist in derartigen Fällen i.d.R. dem minderjährigen Kind ein Verfahrensbeistand zu bestellen.
Für die psychiatrische Begutachtung eines Elternteils besteht keine gesetzliche Grundlage, die fehlende Mitwirkung führt daher auch nicht zu einer Beweisvereitelung. Die Eltern können aber mit den Zwangsmitteln des § 33 FamFG zu dem persönlichen Erscheinen bei Gericht gezwungen werden, damit sie im Termin von einem Sachverständigen begutachtet werden können (insgesamt: BGH FamRZ 2010, 720).
Ebenso wenig kann gem. § 1666 Abs. 3 BGB für einen Elternteil die Teilnahme an einer Psychotherapie gerichtlich angeordnet werden, hier fehlt es an einer Rechtsgrundlage (BVerfG NJW 2011, 1661; vgl. auch OLG Hamm FamRZ 2013, 48).
Autor: Von weitere Aufsicht führender Richter am Amtsgericht Dr. Wolfram Viefhues, Oberhausen
ZAP 8/2015, S. 417 – 434