In vielen Fällen soll es schnell gehen, sodass die Gründer auf eine von diversen Dienstleistern angebotene Vorratsgesellschaft zurückgreifen wollen oder alternativ aus Kostengründen eine eigene "alte" Gesellschaft, die sie nicht mehr nutzen, verwenden möchten.

In derartigen Fällen sind unbedingt die Grundsätze der sog. wirtschaftlichen Neugründung zu beachten.

Der BGH geht seit nunmehr zwei Jahrzehnten davon aus, dass die für die rechtliche Neugründung geltenden Vorschriften auf die Fälle der wirtschaftlichen Neugründung entsprechend anzuwenden sind (grundlegend BGH, Beschl. v. 9.12.2002 – II ZB 12/02, BGHZ 153, 158, und BGH, Beschl. v. 7.6.2003 – II ZB 4/20, BGHZ 155, 318). Eine wirtschaftliche Neugründung liegt dabei immer dann vor, wenn eine bereits im Handelsregister eingetragene (und damit rechtlich bereits bestehende) GmbH erstmals (sog. Vorratsgesellschaft) oder erneut (sog. Mantelgesellschaft) mit einem Unternehmen ausgestattet wird und ihren Geschäftsbetrieb aufnimmt.

1. Vorratsgesellschaften (erstmalige Aktivierung eines Unternehmens)

Weitgehend unproblematisch ist diese Rechtsprechung bei den Gesellschaften, die bewusst auf Vorrat gegründet werden, alsbald nach ihrer rechtlichen Gründung verkauft und sodann erstmals mit einem Unternehmen ausgestattet werden. Das Vorliegen einer wirtschaftlichen Neugründung ist in diesen Fällen offensichtlich. Im Zusammenhang mit dem Verkauf wird die wirtschaftliche Neugründung daher gegenüber dem Registergericht routinemäßig offengelegt und die Versicherung bezüglich des weiterhin vorhandenen Stammkapitals (entsprechend § 8 Abs. 2 GmbHG) abgegeben.

Der Erwerb einer Vorrats- oder Mantelgesellschaft gilt nach der Rechtsprechung als wirtschaftliche Neugründung, bei der die zum Schutz der Gläubiger geltenden Vorschriften über eine rechtliche Neugründung sinngemäß Anwendung finden. Alle Geschäftsführer der Gesellschaft haben die erstmalige oder erneute Aufnahme des Geschäftsbetriebs der Gesellschaft gegenüber dem Handelsregister offenzulegen. Dabei müssen die Geschäftsführer versichern, dass die vereinbarten Leistungen bewirkt worden sind und sich die Einlagen (unverändert oder erneut) in ihrer freien Verfügung befinden. Wird die wirtschaftliche Gründung nicht oder nicht rechtzeitig offengelegt, haften die Gesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft für etwaige Verluste u.U. persönlich.

2. Mantelgesellschaften (erneute Aktivierung eines Unternehmens)

Weitaus schwieriger ist die Einhaltung der Rechtsprechungsregeln dagegen bei der Verwendung alter Mantelgesellschaften. Eine wirtschaftliche Neugründung soll in diesen Fällen immer dann vorliegen, wenn eine GmbH kein aktives Unternehmen betreibt (mithin nur noch eine "leere Hülse" darstellt), so dass der neue Geschäftsbetrieb nicht mehr an die bisherige Tätigkeit anknüpfen kann. Typische, aber nicht notwendige Indizien für die Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs einer unternehmenslos gewordenen GmbH sind die Änderung der Satzung (u.a. Firma, Sitz und Unternehmensgegenstand), der Austausch der Geschäftsführer sowie der Verkauf der Geschäftsanteile. In der Praxis wird in solchen Fällen das Vorliegen einer wirtschaftlichen Neugründung nicht selten verkannt, sodass auch die entsprechende Offenlegung und Versicherung gegenüber dem Registergericht unterbleibt. Solche Regelverstöße können eine persönliche Haftung der Beteiligten zur Folge haben.

Der BGH (Beschl. v. 18.1.2010 – II ZR 61/09, DStR 2010, 763 m. Anm. Goette; GmbHR 2010, 474 m. Anm. Ulrich; ZIP 2010, 621; ausführlich dazu Habersack, AG 2010, 845; Hermanns, ZNotP 2010, 242; K.Schmidt, ZIP 2010, 857; Werner, GmbHR 2010, 804) hat zur Mantelverwendung wie folgt entschieden:

Zitat

1. Eine Mantelverwendung, auf die die Regeln der sog. "wirtschaftlichen Neugründung" anwendbar sind, kommt nur in Betracht, wenn die Gesellschaft eine "leere Hülse" ist, also kein aktives Unternehmen betreibt, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebs – sei es auch unter wesentlicher Umgestaltung, Einschränkung oder Erweiterung seines Tätigkeitsgebiets – in irgendeiner wirtschaftlich noch gewichtbaren Weise anknüpfen kann.

2. Eine "leere Hülse" in diesem Sinne liegt nicht vor, wenn die Gesellschaft nach Gründung und Eintragung konkrete Aktivitäten zur Planung und Vorbereitung der Aufnahme ihrer nach außen gerichteten Geschäftstätigkeit im Rahmen des statutarischen Unternehmensgegenstands trifft.

Im vorliegenden Fall war der frühere Geschäftsbetrieb vollständig eingestellt worden. Ein wesentliches Indiz dafür war u.a., dass die Gesellschaft nach ihrem Jahresabschluss über keinerlei Aktiva mehr verfügt hat. Die (erneute) Aufnahme der operativen Tätigkeit Mitte des Jahres 2004 war somit eine wirtschaftliche Neugründung. Die in diesem Zusammenhang beschlossenen Änderungen des Unternehmensgegenstandes, der Firma und des Sitzes sowie der Geschäftsführerwechsel sind typische, aber keineswegs notwendige Voraussetzungen für eine Mantelverwendung. Es steht einer wirtschaftlichen Neugründung nicht entgegen, dass keine Veräußerung von Geschäftsanteilen erfolgt ist.

3. Rechtsfolgen der wirtschaftlichen Neugründung

Zum Zeitpunkt der (Re-)Aktivierung der Gesellschaft müssen die Geschäftsfü...

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