Leitsatz (amtlich)

"Der Abfindungsanspruch des § 305 Abs. 1 AktG ist verkehrsfähig. Er geht mit dem in der Aktie verbrieften Anteilsrecht auf den Erwerber der Aktie über.

Soweit das beherrschende Unternehmen nach Beendigung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags durch Veräußerung eigener Aktien am Markt für eine Vermengung mit Aktien außenstehender Aktionäre sorgt, obliegt dem Unternehmen die Beweislast dafür, dass die Aktien, auf die sich der geltend gemachte Abfindungsanspruch stützt, nicht von einem gem. § 305 AktG berechtigten außenstehenden Aktionär herrühren.

§ 305 Abs. 3 S. 3 AktG ist im Wege der teleologischen Reduktion dahin auszulegen, dass die Verzinsung des Abfindungsanspruchs in den Fällen, in denen ein außenstehender Aktionär zunächst Ausgleichszahlungen i.S.d. § 304 AktG erhalten hat, erst mit Ende des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags beginnt."

 

Verfahrensgang

LG Gera (Urteil vom 01.04.2003; Aktenzeichen 2 HKO 272/02)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 08.05.2006; Aktenzeichen II ZR 27/05)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers zu 3) wird das Urteil des LG Gera v. 1.4.2003, AZ. 2 HK O 272/02 abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 3) 292.272,75 Euro nebst Zinsen von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.1.2000 Zug-um-Zug gegen Übereignung von 11.025 Stückaktien der D AG, (WKN 804 100) zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Von den Gerichtskosten des ersten Rechtszuges haben die Kläger zu 1 und 2 jeweils 13,5 %, die Beklagte 73 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten im ersten Rechtszuges haben die Kläger zu 1) und 2) jeweils 13,5 % zu tragen. Der Beklagten fallen darüber hinaus im ersten Rechtszug die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 3) und 73 % ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten zur Last.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann gegen Sicherheitsleistung von 330.000 Euro die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger zu 3) vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Kläger haben von der Beklagten eine Abfindung i.S.d. § 305 Abs. 1 AktG begehrt.

Die Beklagte ist Aktionärin der D. Aktiengesellschaft mit jetzigem Sitz in J. Die H. GmbH (V GmbH) schloss am 6.4.1993 als anderer Vertragsteil mit der D., damals noch mit Sitz in F., als beherrschtes Unternehmen einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (Unternehmensvertrag), der am 8.9.1993 in das Handelsregister der D. eingetragen wurde. Der Unternehmensvertrag enthält unter § 5 Abs. 1 eine Abfindungsverpflichtung des herrschenden Unternehmens zu 1.400 DM je Aktie im Nennbetrag von 50 DM. Sie wurde nach § 5 Abs. 2 befristet bis zum Ablauf von 2 Monaten nach dem Tag, an dem die Eintragung des Unternehmensvertrages als bekannt gemacht gilt. Zu den Einzelheiten des Vertrages nimmt der Senat Bezug auf die Anlage K3 (Bl. 12 Bd. I d.A.).

Durch die zwischenzeitliche Umstellung des Grundkapitals der D. und wegen der Einführung des Euro beläuft sich der Abfindungsbetrag mittlerweile auf 26,51 Euro je Stückaktie.

Gegen die Höhe des Abfindungsbetrages haben einzelne außenstehende Aktionäre der D. innerhalb der Annahmefrist ein Spruchstellenverfahren eingeleitet, das noch nicht beendet ist.

Die V. GmbH ging im Wege der Verschmelzung in der Beklagten auf.

Die Beklagte kündigte den Unternehmensvertrag zum 31.12.1999. Die Vertragsbeendigung wurde am 22.2.2000 in das Handelsregister eingetragen und die Eintragung am 17.3.2000 bekannt gemacht.

Die Kläger haben behauptet, sie hätten nach Bekanntmachung der Eintragung des Unternehmensvertrages in das Handelsregister Aktien der D. erworben, die bereits vor Beendigung des Unternehmensvertrages in den Händen außenstehender Aktionäre waren, u.a. der Kläger zu 3) 11.025 Stückaktien.

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, für ihre Berechtigung für eine Abfindung aus § 5 Abs. 1 des Unternehmensvertrages komme es aufgrund des laufenden Spruchstellenverfahrens nicht darauf an, wann sie die streitgegenständlichen Aktien des beherrschten Unternehmens erwarben, insb. nicht, ob dies vor Bekanntmachung der Eintragung der Kündigung des Unternehmensvertrages erfolgte.

Der Abfindungsanspruch gehe mit der Aktie auf den Erwerber der Aktien über, sofern dieser ebenfalls außenstehend i.S.d. § 305 AktG ist.

Da die Beklagte durch den Verkauf eigener Aktien, die nicht abfindungsberechtigt sind, am Kapitalmarkt eine Vermischung von Aktien mit Abfindungsanspruch und solchen ohne Abfindungsanspruch schuldhaft verursacht und somit den Klägern den Beweis abgeschnitten habe, sie hätten ihre Aktien von einem außenstehenden Aktionär, also mit Abfindungsanspruch erworben, gehe die Beweislast für die Anspruchsgrundlage, die Kläger seien Inhaber abfindungsberechtigter Aktien, auf die Beklagte über. Die Beklagte hätte ihre Aktien bei Veräußerung durch Vergabe einer neue...

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