Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Syndikusanwalt. Tätigkeit als Sachbearbeiter in der Prozessabteilung eines Versicherers. Befreiung von der Versicherungspflicht. berufsspezifische anwaltliche Tätigkeit. Unabhängigkeit des Rechtsanwalts

 

Orientierungssatz

1. Für die Befreiung eines angestellten Rechtsanwaltes von der Rentenversicherungspflicht kommt es - anders als im Ergebnis bei der Zwei-Berufe-Theorie - nicht darauf an, ob der Arbeitgeber selbst dem anwaltlichen Berufsrecht unterliegt. Maßgebend ist allein die Ausübung einer berufsspezifischen anwaltlichen Tätigkeit (hier bejaht für den Syndikusanwalt in der Prozessabteilung eines Versicherers).

2. Die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts gem § 1 BRAO stellt historisch gesehen in erster Linie eine Unabhängigkeit vom Staat dar. Die Weisungsbefugnis eines privaten Arbeitgebers steht dieser Unabhängigkeit nicht per se entgegen, zumal auch der freie Rechtsanwalt von seinem Mandanten Weisungen erhält.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 22.02.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.2010 verurteilt, den Kläger für seine Tätigkeit bei der X mit Wirkung ab dem 01.12.2009 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Der Kläger wurde 1979 geboren und legte im Mai 2007 das 2. juristische Staatsexamen ab. Im August 2007 schloss er mit der X GmbH, die nunmehr unter X GmbH firmiert (im folgenden X), einen Anstellungsvertrag ab. Danach wurde er als Sachbearbeiter Prozess in der Abteilung Prozess/Regress eingestellt. Zum 01.12.2009 erteilte ihm die Rechtsanwaltskammer Köln die Zulassung zur Anwaltschaft und am 28.12.2009 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Er fügte ein Schreiben der X vom 11.12.2009 bei. Dort heißt es:

" Sie erhalten Ihre Stellen- und Funktionsbeschreibung zur Vorlage beim Versorgungsamt für Rechtsanwälte. Sie sind in der Abteilung Prozess unserer Gesellschaft als Volljurist beschäftigt. Im Rahmen Ihrer spezifischen Beschäftigung üben Sie eine anwaltliche Tätigkeit aus. Zu dieser zählt die juristische, wirtschaftliche und unfallanalytische Bearbeitung von spartenübergreifenden Schadensfällen, die vollständige Übernahme der Schadensbearbeitung ab Rechtshängigkeit des Vorgangs, die Abwägung der Chancen und Risiken eines Rechtsstreits, die selbständige Führung von Rechtsstreitigkeiten bzw. eine umfassende Beauftragung und Überwachung von externen Rechtsanwälten. Im Rahmen der Ihnen übertragenen Kompetenzen entscheiden Sie eigenverantwortlich über die Aufnahme von Prozessen bzw. den Abschluss eines Vergleichs mit der Anspruchsstellerseite, wobei Sie zum Teil Vergleichs- oder Gerichtstermine persönlich wahrnehmen. Ein weiterer Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Schulung interner und externer Mitarbeiter in juristischen Sachfragen durch Vorträge bzw. Ausarbeitung schriftlicher Arbeitsanweisungen und Urteilsanmerkungen."

Mit hier angefochtenem Bescheid vom 22.02.2010 lehnte die Beklagte die begehrte Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Kläger arbeite als Sachbearbeiter Prozess. Dies entspreche nicht dem in § 3 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) zugrunde gelegten Bild der freien Berufsausübung als Rechtsanwalt.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und führte aus, bei seiner Arbeitgeberin handele es ich nicht um ein Versicherungsunternehmen, sondern um eine konzerneigene Servicegesellschaft, die für die Bearbeitung von Groß- und Spezialschäden sowie für das Management und die Steuerung des Segments Schaden der Generali Deutschlandgruppe verantwortlich sei. Er sei in der Spezialabteilung in der Gruppe Prozess tätig. Hier erfolge die zentrale Bearbeitung der gerichtlichen Verfahren aus allen Bereichen der Kompositversicherung. Sein Schwerpunkt liege in der Bearbeitung von Kraftfahrzeughaftpflicht- und Kaskoprozessen. Seine Tätigkeit sei rechtsberatend, rechtsentscheidend, rechtsgestaltend und rechtsvermittelnd. Eine Weisungsgebundenheit bestehe nicht. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31.05.2010 als sachlich unbegründet zurück: Die Vergütung des Klägers richte sich nach dem Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe und der Kläger sei nach Gehaltsgruppe VI (besonders qualifizierte Sachbearbeitung) eingruppiert worden. Dies sei ein weiteres Indiz dafür, dass die Tätigkeit des Klägers nicht anwaltlicher Natur sei.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Zur Begründung lässt der Kläger u. a. ausführen, eine anwaltliche Tätigkeit sei auch in einem ständigen Dienstverhältnis mit einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber möglich, wie sich aus § 46 BRAO ergebe. Die Beklagte habe 2005 zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versor...

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