Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestellung eines Ersatztestamentsvollstreckers ohne ausdrückliches Ersuchen des Erblassers: Feststellung eines stillschweigenden Ersuchens durch ergänzende Testamentsauslegung; Ersatztestamentsvollstreckung aufgrund konkludenten Erblasserwillens

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2084, 2200 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Pinneberg (Beschluss vom 27.01.2015; Aktenzeichen 56 VI 29/15)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 vom 10.2.2015 gegen den Beschluss des AG - Nachlassgericht - Pinneberg vom 27.1.2015 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1 trägt die Kosten des Verfahrens nach einem Geschäftswert von 22.000,00 Euro.

 

Gründe

I. Der unverheiratete und kinderlose Erblasser errichtete am 21.11.2013 zwei, inhaltlich identische, handschriftliche und eigenhändige - von ihm unterzeichnete - Testamente (Bl. 8 und 9 f. der Testamentsakte).

Die Testamente sind folgenden Inhalts:

"...Da ich gegenwärtig eine lebensbedrohliche Erkrankung habe, wünsche ich im Falle meines Ablebens, dass mein Vermögen wie folgt zu verteilen ist.

1. Meine Immobilie mit Inventar und Auto, s.o.a. Adresse soll erhalten:... (Bet. zu 1) 5

Miteigentümer der Immobilie mit dem Wert von je 20.000,- EUR sollen werden:

  • A
  • B
  • C
  • D

2. Bargeld in Höhe von 30.000,- EUR soll erhalten: E

3. Rest Bargeld abzüglich Beerdigungskosten und Testamentsvollstreckungskosten soll erhalten:... (Bet. zu 1) 12

4. Die Beerdigung soll erfolgen durch:... (Bet. zu 1) 13

5. Die Testamentsvollstreckung soll erfolgen durch: Herrn X

(Unterschrift)

Mit Schreiben vom 2.1.2015 (Bl. 11 der Testamentsakte) teilte der testamentarisch bestimmte Testamentsvollstrecker X gegenüber dem Nachlassgericht mit, er nehme das Testamentsvollstreckeramt nicht an. Daraufhin bestellte das Nachlassgericht - ohne vorherige Anhörung der Beteiligten - mit Beschluss vom 27.1.2015 den Beteiligten zu 2 zum Testamentsvollstrecker, der dieses Amt mit Erklärung vom 5.2.2015 gegenüber dem Nachlassgericht annahm.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1 vom 10.2.2015, taggleich beim Nachlassgericht eingegangen.

Nachdem eine Beschwerdebegründung zunächst nicht wie angekündigt erfolgt war, half das Nachlassgericht der Beschwerde mit Beschluss vom 18.3.2015 nicht ab und legte die Sache dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vor.

Zur Begründung des Nichtabhilfebeschlusses führt das Nachlassgericht im Wesentlichen aus, ein Ersatztestamentsvollstrecker sei zu bestimmen gewesen, obgleich ein solcher nicht testamentarisch benannt und auch nicht ausdrücklich letztwillig verfügt sei, dass das Nachlassgericht einen solchen bestimmen solle. Hätte der Erblasser jedoch vorausgesehen, dass der von ihm bestimmte Testamentsvollstrecker das Amt ablehne - dies ergebe eine ergänzende Auslegung seiner Testamente vom 21.11.2013 - hätte er selbst einen Ersatztestamentsvollstrecker bestimmt oder das Nachlassgericht um Bestimmung eines solchen gebeten. Dem Erblasser sei offenbar daran gelegen gewesen, dass seine Anordnungen von einem nicht bedachten Dritten durchgeführt werden.

Zu weiteren Einzelheiten des Nichtabhilfebeschlusses vom 18.3.2015 wird auf Bl. 11. d.A. genommen.

Die Beteiligte zu 1 hat nach Abgabe des Verfahrens an das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht mit Schriftsatz vom 17.4.2015 ihre Beschwerde begründet und im Wesentlichen vorgetragen, der kinderlose und unverheiratete Erblasser habe lediglich Personen letztwillig bedacht, die ihm nahe gestanden hätten, zu denen er ein besonders inniges familiäres Verhältnis gehabt habe. Zudem habe er ein besonderes Verhältnis zu seinem ehemaligen Arbeitskollegen X gehabt. Ihn habe er zum Testamentsvollstrecker bestimmt, um ihm seine Wertschätzung zu zeigen. Da letzterer selbst vermögend sei, wäre er nicht auf Geldzuwendungen angewiesen gewesen. Der Erblasser habe weder mit Streitigkeiten unter den letztwillig Bedachten gerechnet noch damit, dass der Testamentsvollstrecker umfassend tätig werden müsse. Demgemäß habe er bewusst davon abgesehen, einen Ersatztestamentsvollstrecker zu bestimmen oder einen Dritten - etwa das Nachlassgericht - auszuwählen, der einen solchen bestimmen soll. Für die abweichende ergänzende Auslegung des Nachlassgerichts fehle es an Anhaltspunkten in den letztwilligen Verfügungen des Erblassers. Nur wenn nach der "Gesamtheit der testamentarischen Verfügung der Wille erkennbar" würde, dass es dem Erblasser nicht auf die vom ihm benannte Person selbst ankomme, sondern die Testamentsvollstreckung an sich zur Erledigung einer bestimmten Aufgabe im Vordergrund stehe, sei - bei entsprechenden Anhaltspunkten in den letztwilligen Verfügungen hierfür - eine abweichende Auslegung im Sinne des Nachlassgerichts zulässig. Eine solche Konstellation liege indessen nicht vor.

Zu weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung vom 17.4.2015 wird auf Bl. 19 ff. d.A. Bezug genommen.

Der Beteiligte zu 2 hat keine Stellungnahme abgegeben.

Die Beteiligte zu 1 hat am 2.12.2014 bei dem Nachlassgericht einen Erbschein beantragt, der sie au...

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