Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Einrichtung einer Betreuung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Einrichtung einer Betreuung kommt nur in Betracht, soweit davon auszugehen ist, dass der Betreuer in seinen Aufgabenkreisen auch tatsächlich tätig werden und dem Betroffenen Hilfen zukommen lassen kann; für die Bestellung eines Betreuers ist dann kein Raum, wenn sich der angestrebte Zweck durch die vorgesehene Maßnahme nicht erreichen lässt.
2. Eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitssorge kann nur eingerichtet werden, wenn der Betroffene entweder freiwillig die benötigte Hilfe des Betreuers zumindest teilweise annehmen würde oder bei vollständig fehlender Bereitschaft, sich einer Heilbehandlung zu unterziehen, eine Behandlung in einer geschlossenen Einrichtung nach § 1906 BGB in Betracht kommt.
3. Mit dem Ziel einer (Zwangs-)Behandlung in einer geschlossenen Einrichtung kann eine Betreuung für die Aufgabenkreise der Gesundheitssorge und der Aufenthaltsbestimmung nur dann angeordnet werden, wenn die Behandlung bei einer vorläufigen Einschätzung Erfolg versprechend und nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unumgänglich erscheint, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung des Betroffenen abzuwenden.
Normenkette
BGB § 1896 Abs. 1, 1a, 2, § 1906
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Beschluss vom 15.06.2009; Aktenzeichen 4 T 472/08) |
AG Pinneberg (Aktenzeichen 42 XVII P 8538) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit die Betroffene sich mit ihrer Beschwerde gegen die Einrichtung einer Betreuung für die Aufgabenkreise der Gesundheitssorge und der Aufenthaltsbestimmung wendet.
In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die weitere Beschwerde zurückgewiesen.
Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
Gründe
I. Bei der Betroffenen besteht seit dem Jahre 2005 eine Trennungsproblematik, nachdem ihr Ehemann, mit dem sie seit 1974 verheiratet war, aus dem bis dahin gemeinsam bewohnten Haus in (...) ausgezogen war und die Scheidung anstrebte. In der Folge hat sich bei der Betroffenen eine paranoide Persönlichkeitsstörung entwickelt.
Sie lebt noch in dem Haus in (...), das ihr gemeinsam mit ihrem mittlerweile geschiedenen Ehemann gehört. Über regelmäßige Einkünfte verfügt sie nicht, sondern betätigt sich nur gelegentlich im Rahmen ihrer Selbständigkeit, die u.a. Botengänge sowie Tätigkeiten als Lebensberaterin beinhaltet. Sozialleistungen bezieht sie nicht. In den Wintermonaten hält die Betroffene sich zeitweise in Österreich auf, wo sie in einer Skischule als Aushilfskraft Gäste bewirtet und Kinder beaufsichtigt.
Da die Betroffene keine Tilgungsleistungen auf die zur Finanzierung der Immobilie aufgenommenen Kredite erbringt und auch ihr geschiedener Ehemann nicht zur Zahlung in der Lage ist, steht das Hausgrundstück zur Zwangsversteigerung an. Haus und Grundstück befinden sich in einem vernachlässigten Zustand. Strom und Telefon sind bereits abgeschaltet, und die Stadtwerke haben angekündigt, die Wasserversorgung einzustellen. Die Betroffene hat bereits teilweise ihr Mobiliar verkauft, um zu Geld zu kommen. Auch verfügt sie nicht mehr über Krankenversicherungsschutz.
In der Vergangenheit ist die Betroffene seit 2005 vielfach polizeilich mit Verschwörungsideen in Erscheinung getreten und auch damit aufgefallen, dass sie in Flugblättern namentlich genannte Personen und Firmen mit der Scientology Organisation in Verbindung gebracht hat (vgl. dazu die Stellungnahme der Polizeistation ... vom 16.8.2008, Bl. 15 ff. d.A.). Sie bezichtigt insbesondere ihren geschiedenen Ehemann sowie dessen im familiengerichtlichen Verfahren tätigen Prozessbevollmächtigten der Zugehörigkeit zu dieser Organisation, die ihren Ehemann auch zu der Trennung veranlasst habe (Bericht der Verfahrenspflegerin vom 18.8.2008, Bl. 7 f. d.A.).
Auf Vorladungen der Gerichtsvollzieherin reagiert die Betroffene trotz Androhung eines Haftbefehls nicht (Bl. 2 d.A.).
Mit Schreiben an das AG Pinneberg hat der geschiedene Ehemann der Betroffenen im Hinblick auf das zwischen ihm und der Betroffenen geführte familiengerichtliche Verfahren am 30.7.2008 die Einrichtung einer Betreuung angeregt.
Das AG hat daraufhin ein Gutachten des Sachverständigen Dr. M. eingeholt, das dieser am 2.9.2009 vorgelegt hat (Bl. 23 ff. d.A.). Der Sachverständige hat bei der Betroffenen eine Persönlichkeitsstörung festgestellt, wobei u.a. auch neurotische und paranoide Erkrankungsmerkmale vorhanden seien. Hinweise auf eine Psychose im engeren Sinne seien zwar gegenwärtig nicht zu finden, es komme aber auch eine beginnende Psychose in Betracht. Der Sachverständige Dr. M. hält die Einrichtung einer Betreuung für die Bereiche Gesundheitssorge, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden und Institutionen, Haus- und Wohnungsangelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung und Postangelegenheiten für erforderlich (Bl. 26 d.A.).
Das AG hat die Betroffene, die die Einrichtung einer Betreuung a...