Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Es bleibt offen, ob § 58 Abs. 1 StPO eine bloße Ordnungsvorschrift ist. Revisibel ist jedenfalls nur ein Verstoß gegen die Pflicht zur Amtsaufklärung gem. § 244 Abs. 2 StPO durch die rechtsfehlerhafte Anwendung des § 58 Abs. 1 StPO.

  • 2.

    Es spricht vieles dafür, dass es einer besonders vorsichtigen tatrichterlichen Beweiswürdigung von Zeugenaussagen des nach § 397 Abs. 1 Satz 1 StPO in der Hauptverhandlung anwesenheitsberechtigten Nebenklägers nur dann bedarf, wenn im Einzelfall konkrete Umstände dafür ersichtlich sind, dass die Angaben des Nebenklägers gerade wegen der ununterbrochenen Gegenwart in der Hauptverhandlung zur Wahrheitsfindung vollständig oder jedenfalls weitgehend unbrauchbar sein könnten.

 

Normenkette

StPO § 58 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Nümberg (Entscheidung vom 10.11.2008)

 

Tenor

  • I.

    Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nümberg-Fürth vom 10. November 2008 werden mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Tenor des Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth in Ziff. I. 1 und 2 wie folgt neu gefasst wird:.

    "I.

    Die Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 06.02.2008 werden mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass

    1.

    R... G... unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 19.12.2007, Az.: 43 Cs 453 Js 48955/07 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt wird und

    2.

    I...t G... unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bamberg vom 03.03.2008, Az.: 10 Ds 104 Js 19/08 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt wird.

    Die Vollstreckung der erkannten Gesamtfreiheitsstrafen wird bei beiden Angeklagten zur Bewährung ausgesetzt."

  • II.

    Die Revisionsführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Nürnberg hat den Angeklagten R... G... am 6.2.2008 wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten und den Angeklagten I... G... wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und beide Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt. Die gegen dieses Urteil eingelegten Berufungen der Angeklagten und die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Nürnberg-Fürth am 10.11.2008 mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte R... G...i unter Einbeziehung der Verurteilung durch das Amtsgericht Nürnberg vom 19.12.2007 (43 Cs 453 Js 48955/07) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt wird und der Angeklagte I... G... unter Einbeziehung der Verurteilung durch das Amtsgericht Bamberg vom 3.3.2008 (10 Ds 104 Js 19/08) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt wird.

Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung materiellen Rechts; der Angeklagte R... G... beanstandet zudem das Verfahren.

II.

Die Rechtsmittel sind zulässig ( §§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 StPO). Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen hat jedoch keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

1.

Die von dem Angeklagten R... G... erhobene Rüge zeigt einen Mangel des Verfahrens nicht auf.

a)

Der Angeklagte R... G... macht geltend, die Kammer habe gegen § 58 Abs. 1 StPO i.V.m. § 261 StPO dadurch verstoßen, dass sie in ihrer Beweiswürdigung nicht ausdrücklich auf den Umstand abstellt, dass der als Nebenkläger zugelassene Zeuge S... während der Vernehmung beider Angeklagter und der Verlesung der Aussage des Zeugen O... im Saal anwesend war. Der darin liegenden Einschränkung des Beweiswertes der Angaben des Zeugen S... habe sich die Kammer aber bewusst sein müssen.

b)

Unabhängig von der Frage, ob § 58 Abs. 1 StPO eine nicht-revisible, bloße Ordnungsvorschrift ist (krit. zur dogmatischen Kategorie Jahn, in: Gutachten C für den 67. Deutschen Juristentag, 2008, S. C. 42 ff.), erkennt die Revision im Ausgangspunkt noch zu Recht, dass das Urteil auf einem Verstoß gegen diese Vorschrift regelmäßig nicht beruhen kann ( § 337 StPO). Revisibel ist allenfalls ein Verstoß gegen die Pflicht zur Amtsaufklärung gem. § 244 Abs. 2 StPO durch die rechtsfehlerhafte Anwendung des § 58 Abs. 1 StPO (vgl. BGH, NJW 1987, 3088, 3090; Senge in: Karlsruher Kommentar 6. Aufl. § 58 Rn. 11).

aa)

Insoweit fehlt es jedoch an einer Verfahrensrüge, die den Förmlichkeiten des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entspricht. Nach jener Vorschrift muss der Beschwerdeführer, der eine Verletzung des Verfahrensrechts geltend machen will, die den Mangel enthaltenden Tatsachen angeben. Dies hat so vollständig und so genau zu geschehen, dass das Revisionsgericht allein auf Grund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen werden (stRspr., vgl. Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 344 Rn. 24 m.w.N.). Die Revisio...

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