Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz wegen Kaufs eines vom sogenannten Diesel-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Dem Käufer eines vom sogenannten Diesel-Abgasskandal betroffenen PKWs steht ein Schadensersatzanspruch nach §§ 826, 31 BGB zu. (Rn. 13 - 22)

2. Der Kläger muss sich im Wege des Vorteilsausgleichs den Wert der von ihm tatsächlich gezogenen Nutzungen des Kraftfahrzeuges anrechnen lassen, wobei von einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km ausgegangen werden kann. (Rn. 24 - 25)

3. Finanzierungskosten sind bei der Berechnung des Schadens zu berücksichtigen, wobei auch diese auf der Basis der geschätzten Gesamtlaufleistung und einem entsprechenden Vorteilsausgleich berücksichtigt werden können. (Rn. 26 - 28)

4. Ein Anspruch auf Deliktszinsen gemäß § 849 BGB steht dem Käufer eines vom sogenannten Diesel-Abgasskandal betroffenen PKW nicht zu. (Rn. 31 - 36)

 

Normenkette

BGB §§ 826, 849; ZPO § 287

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Urteil vom 03.05.2019; Aktenzeichen 73 O 3942/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klagepartei wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 03.05.2019, Az. 73 O 3942/18, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.391,21 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.01.2019 zu bezahlen, und den Kläger von sämtlichen noch offenstehenden Darlehensraten, höchstens jedoch einem Gesamtbetrag von weiteren 1.836 EUR, freizustellen, die der Kläger bis zum 30.03.2021 an die Sparkasse L., ..., ... im Rahmen des Darlehnsvertrages vom 11.05.2016 mit Laufzeit bis 30.03.2021 zu zahlen hat, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw Skoda Fabia mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ...76.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 729,23 EUR freizustellen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben die Beklagte 37% und die Klagepartei 63% zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

1. V. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klagepartei verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs eines Pkw, in den ein von der Beklagten hergestellter Motor der Baureihe "EA 189" eingebaut ist.

Mit Kaufvertrag vom 05.04.2013 erwarb die Klagepartei den im Tenor bezeichneten gebrauchten Pkw zum Preis von 9.950 EUR. Der Kilometerstand zum Zeitpunkt des Kaufs betrug 48.060 km. Der Kaufpreis wurde über zwei Darlehen finanziert. Die Finanzierungskosten belaufen sich auf insgesamt 5.105,21 EUR.

Für den Fahrzeugtyp wurde die EG-Typengenehmigung mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. Die im Zusammenhang mit dem Motor verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.

Im September 2015 räumte die Beklagte öffentlich die Verwendung einer entsprechenden Software ein. Unter dem 15.10.2015 erging gegen sie ein bestandskräftiger Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) mit nachträglichen Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung, der auch das Fahrzeug des Klägers betrifft. Das KBA ging vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus und gab der Beklagten auf, diese zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte anderweitig zu gewährleisten. Die Beklagte gab mit Pressemitteilung vom 25.11.2015 bekannt, Software-Updates durchzuführen, mit denen diese Software aus allen Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA189 mit 2,0-Liter-Hubraum entfernt werden sollte. Die Klagepartei ließ in der Folge das Software-Update durchführen.

Mit Schreiben vom 06.09.2018 (Anlage K 20) forderte die Klagepartei die Beklagte erfolglos zur Erstattung des Kaufpreises sowie der Finanzierungskosten unter Fristsetzung bis zum 20.09.2018 auf und bot Zug um Zug die Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs an.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem landgerichtlichen Urteil Bezug genommen.

Ergänzend stellt der Senat fest, dass die Laufleistung des streitgegenständlichen Pkw am 04.0...

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