Leitsatz (amtlich)
Besteht für einen Bewohner einer Eigentumswohnanlage im Hinblick auf ein verfassungsmäßig geschütztes Recht auf Informationsfreiheit Anspruch auf Empfang einer angemessenen Anzahl ausländischer Programme, so ist dieses Recht, wenn es um die Befugnis zur Anbringung einer Parabolantenne geht, abzuwägen gegen das ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht der Wohnungseigentümer. Die Abwägung obliegt in erster Linie den Tatgerichten und kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur eingeschränkt überprüft werden.
Normenkette
GG Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2, Art. 14 Abs. 1 S. 1; BGB § 1004 Abs. 1 S. 1; WEG §§ 14, 15 Abs. 3
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 11.07.2005; Aktenzeichen 1 T 17467/04) |
AG München (Aktenzeichen 481 UR II 257/04) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des LG München I vom 11.7.2005 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Parabolantenne auf dem Balkon im Bereich des Sondereigentums Wohnung Nr. 197, zu entfernen ist.
II. Die Anschlussrechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen die in dem Beschluss des LG München I vom 11.7.2005 unter Ziff. II S. 2 getroffene Kostenentscheidung (Auslagenerstattung) wird zurückgewiesen.
III. Die Antragsgegner tragen samtverbindlich die gerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 2.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist eine größere Wohnungseigentümergemeinschaft. Den türkischstämmigen Antragsgegnern gehört die Wohnung Nr. 197 im zweiten Obergeschoss. In dieser Wohnung ist ein Kabelanschluss vorhanden. Über diesen kann der staatliche türkische Fernsehsender TRTint empfangen werden. Insgesamt sechs bzw. acht türkischsprachige Programme könnten gegen entsprechende Kosten und Gebühren bei Anschluss einer digitalen "Set-Top-Box" empfangen werden.
Nach § 4 Nr. 4 der Gemeinschaftsordnung (GO) dürfen Schilder, Reklameeinrichtungen oder Antennen nur in der vom Verwalter zu bestimmenden Art und Form angebracht werden.
In der Eigentümerversammlung vom 17.3.2003 beschloss "die Gemeinschaft" bestandskräftig, die Eigentümer, bei deren Wohnungen Parabolantennen so aufgestellt sind, dass sie von außen wahrgenommen werden können, zu verpflichten, diese Antennen abzubauen. Sollte nach gehöriger Fristsetzung die Parabolantenne nicht abgebaut werden, wurde die Verwalterin beauftragt und bevollmächtigt, den Anspruch "der Gemeinschaft" auf Beseitigung gerichtlich geltend zu machen und hierzu Prozessvollmacht zu erteilen.
Gemäß der Hausordnung in der am 25.3.2004 beschlossenen Fassung (Punkt 03: Balkone und Terrassen) dürfen auf Balkonen und Terrassen keine Gegenstände wie Parabolantennen, Schränke, Regale aufgestellt werden, die über die Balkonbrüstung hinausragen.
In der Eigentümerversammlung vom 12.5.2005 wurde der Eigentümerbeschluss vom 17.3.2003 in der Weise ergänzt, dass Parabolantennen nicht beanstandet werden, wenn sie von den Verkehrswegen nicht beeinträchtigend wahrgenommen werden können, wobei als Grenze ein Hinausragen von 10 cm über die oberste Brüstungskante der Balkonkonstruktion festgelegt wurde.
Die Antragsgegner haben auf dem Balkon ihrer Wohnung eine Parabolantenne angebracht, um türkischsprachige Fernseh- und Radiosender empfangen zu können. Die dazugehörige Satellitenschüssel ist oberhalb der Balkonbrüstung installiert und von außen zur Gänze sichtbar.
Die Antragstellerin, vertreten durch die Verwalterin, hat beim AG beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, die im Bereich ihres Sondereigentums angebrachte Parabolantenne zu entfernen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen.
Das AG hat den Antrag mit Beschl. v. 1.9.2004 abgewiesen. Auf die gegen diese Entscheidung eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das LG die Entscheidung durch Beschl. v. 11.7.2005 aufgehoben und die Antragsgegner samtverbindlich zur Entfernung der Antenne verpflichtet. Gleichzeitig hat es angeordnet, dass die Antragsgegner samtverbindlich die Gerichtskosten beider Instanzen zu tragen haben und dass eine Erstattung außergerichtlicher Kosten in keinem Verfahrenszug stattfindet. Gegen den landgerichtlichen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner. Die Antragstellerin widersetzt sich dem Rechtsmittel und beantragt ihrerseits im Wege der Anschließung, den Antragsgegnern in Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung die ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Antragsgegner ist unbegründet; berichtigt entsprechend § 319 ZPO hat der Senat lediglich die genaue Bezeichnung der Lage der zu entfernenden Antenne auf dem Balkon im 2. Obergeschoss. Ebenfalls erfolglos ist die Anschlussrechtsbeschwerde der Antragstellerin.
1. Das LG hat ausgeführt: Die Antragstellerin könne sowohl aufgrund des Eigentümerbeschlusses vom 17.3.2003 als auch aus § 22 Abs. 1, § 14 Nr. 1 WEG, § 1004...