Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff der Sollbeschaffenheit

 

Leitsatz (amtlich)

Eine als komplett renoviert verkaufte Eigentumswohnung ("Superschnäppchen") in einem Gebäudekomplex entspricht nicht der vertraglichen Sollbeschaffenheit, wenn in Wirklichkeit ein akuter und erheblicher Sanierungsbedarf im Dachbereich und im Bereich sämtlicher Balkonbrüstungen besteht. Ist der Käufer, der diese Mängel im Rahmen einer Besichtigung der Wohnung nicht erkennen konnte, darüber nicht aufgeklärt worden, hat er die Rechte aus § 437 BGB auch dann, wenn im notariellen Kaufvertrag der tatsächliche Zustand des Kaufobjekts als vertragliche Sollbeschaffenheit vereinbart worden ist.

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Beschluss vom 04.05.2004; Aktenzeichen 7 O 175/04)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des LG Bonn (7 O 175/04) vom 4.5.2004 abgeändert und, wie folgt, neu gefasst:

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung seiner Rechte in erster Instanz Rechtsanwalt K., P.-Straße 7, C., beigeordnet, soweit der Antragsteller mit seiner Klage einen Zahlungsanspruch i.H.v. 5.300 Euro gegen die Beklagte verfolgt.

 

Gründe

Die gem. §§ 127, 567 Abs. 1 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache Erfolg.

Die verständige Auslegung des vorgetragenen Sachverhalts und der verschiedenen angekündigten Klageanträge ergibt, dass der Antragsteller hauptsächlich Zahlung von 5.300 Euro zur Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum der Wohnung in der Wohnanlage in T.B. begehrt. Bei der im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung des Vorbringens hat der Antragsteller insoweit die Voraussetzungen eines Minderungsanspruchs gem. §§ 434, 437 Nr. 2, 441 BGB dem Grunde nach schlüssig dargetan. Dieser Anspruch, dessen Bemessung (vgl. § 441 Abs. 3 BGB) dem Erkenntnisverfahren vorbehalten bleiben muss, kommt in Betracht, nachdem die Antragsgegnerin offenbar ernsthaft und endgültig Nacherfüllung verweigert.

Die vom Antragsteller erworbene Eigentumswohnung ist gem. §§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB mangelhaft, da diese nicht der vertraglichen Sollbeschaffenheit im notariellen Kaufvertrag v. 27.3.2003 entsprach. Nach dem Vortrag des Antragstellers wies das Gemeinschaftseigentum bei Gefahrübergang erheblichen und akuten Sanierungsbedarf im Dachbereich sowie an den Balkonbefestigungen auf. Bezogen auf die Gesamtimmobilie soll die Beseitigung der Mängel einen kostenmäßigen Aufwand von über 300.000 Euro erfordern. Der sanierungsbedürftige Zustand des Objekts war den damaligen Eigentümern - also auch der Beklagten - im Jahr vor dem Vertragsschluss mit dem Antragsteller bekannt geworden. Abhilfe ist nunmehr von der Eigentümergemeinschaft beschlossen und in Angriff genommen worden, indem wegen des voraussichtlichen Kostenaufwandes der Maßnahmen zunächst eine Erhöhung der Rücklagen der Eigentümergemeinschaft um 60.000 Euro beschlossen worden ist. Damit wird es aller Voraussicht nach nicht sein Bewenden haben.

Der Zustand des Kaufgegenstandes entsprach nicht der vertraglichen Sollbeschaffenheit. Die Eigentumswohnung ist dem Antragsteller als komplett renoviert (laut Zeitungsannonce: "Superschnäppchen") verkauft worden. Bei der Besichtigung ist der Antragsteller insb. auch auf erst kürzlich durchgeführte Renovierungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum hingewiesen worden. Angesichts dessen konnte der Käufer von einem Zustand des Gemeinschaftseigentums ohne die Notwendigkeit kostenintensiver und akuter Sanierungsleistungen ausgehen.

Die Haftung der Antragsgegnerin ist nicht aufgrund § 11.1 des notariellen Kaufvertrages ausgeschlossen. Die Regelung des § 11.1. Abs. 2 greift bereits nach ihrem Wortlaut nicht ein. Es handelt sich bei dem vom Antragsteller dargelegten Sanierungsbedarf am Gemeinschaftseigentum nämlich weder um einen für ihn bei Besichtigung der Wohnung erkennbaren noch um einen der Verkäuferin unbekannten Mangel des Vertragsgegenstandes. Auch Ziff. 11.1 Abs. 1 des notariellen Kaufvertrages "Der Vertragsgegenstand wird verkauft in dem Zustand, in dem er sich bei Besichtigung befand und der dem Käufer bekannt ist; dieser Zustand wird hiermit als vertragsgemäße Beschaffenheit vereinbart" steht einer Haftung der Antragsgegnerin nicht entgegen. Auch diese Formulierung betrifft bereits ihrem Wortlaut nach nicht Mängel am Gemeinschaftseigentum, welche im Rahmen einer üblichen Besichtigung (der Wohnung) nicht erkannt werden (können). Sofern die Antragsgegnerin mit der Klausel einen Ausschluss der Haftung für Mängel am Gemeinschaftseigentum vereinbaren wollte, wäre die vertragliche Regelung unter dem Gesichtspunkt des arglistigen Verschweigens gem. § 444 BGB unwirksam. Die Antragsgegnerin war angesichts der Art und des Umfangs der Mängel verpflichtet, den Käufer auf den tatsächlichen Zustand des Gebäudes und die kurzfristig anstehenden Sanierungsarbeiten hinzuweisen. Es handelt sich um Arbeiten, die über den übli...

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