Leitsatz (amtlich)
1.
Die Bestellung als Pflichtverteidiger wirkt im Falle des Todes des Angeklagten bis zur Rechtskraft der das Verfahren förmlich abschließenden Einstellungsentscheidung fort. Der Pflichtverteidiger ist daher befugt, gegen die im Einstellungsbeschluss getroffene Auslagenentscheidung sofortige Beschwerde einzulegen.
2.
Eine Ermessensentscheidung nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO kommt in Betracht, wenn nach dem bei Feststellung des Verfahrenshindernisses gegebenen Verfahrensstand ein zumindest hinreichender Tatverdacht besteht.
Gründe
I.
Gegen den zwischenzeitlich verstorbenen Angekl. führte die StA ein Strafverfahren wegen des Verdachts des versuchten Totschlags u.a. zum Nachteil seiner Ehefrau. Am 30.10.2001 erließ das AG gegen den Angekl. Haftbefehl, den es gegen Auflage außer Vollzug setzte. Mit Anklageschrift vom 03.04.2002 erhob die StA Anklage zum LG, das am 04.07.2002 das Hauptverfahren eröffnete und die Anklage zur Hauptverhandlung zuließ. Termin zur Hauptverhandlung wurde auf den 14.08.2002 bestimmt. Nachdem bekannt geworden war, dass der Angekl. seinen Wohnort mit unbekanntem Ziel verlassen hatte, setzte das LG mit Beschluss vom 07.08.2002 den Haftbefehl vom 30.10.2001 in Vollzug. Am 14.08.2002 verstarb der Angekl. infolge eines Suizids. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das LG das Verfahren wegen des Todes des Angekl. gem. § 206 a StPO eingestellt. Während es die Kosten des Verfahrens der Staatskasse auferlegt hat, hat es von einer Belastung der Staatskasse mit den notwendigen Auslagen des Angekl. abgesehen. Gegen die getroffene Auslagenentscheidung wendet sich die Verteidigerin, die dem Angekl. durch Verfügung vom 05.07.2002 als Pflichtverteidigerin beigeordnet worden war, mit ihrer fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde.
Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
II.
Die sofortige Beschwerde (§ 464 Abs. 3 Satz 1 StPO) ist zulässig. Ungeachtet des Todes des Angeld, war die Verteidigerin als Pflichtverteidigerin des Angeklagten zur Einlegung des Rechtsmittels befugt.
Die Frage des Fortbestehens der Verteidigerstellung nach dem Tod des Beschuldigten (Besch. ) ist in Rechtsprechung und Literatur bislang - soweit ersichtlich - nur mit Blick auf den Wahlverteidiger erörtert worden. Während wohl überwiegend ein Fortwirken des Wahlverteidigerverhältnisses über den Tod des Besch. hinaus abgelehnt wird (vgl. OLG Karlsruhe, Die Justiz 1983, 132; Die Justiz 1977, 243; OLG Düsseldorf (1. Senat) MDR 1993, 162; OLG Koblenz, GA 1979, 192; OLG Schleswig, NJW 1978, 1016; OLG München, NJW 1973, 1515; OLG Stuttgart, AnwBl 1972, 330; OLG Celle, NJW 1971, 2182; Pfeiffer, StPO, 4. Aufl., vor §§ 137 bis 149 Rdn. 2), geht die Gegenmeinung meist unter Hinweis auf die Regelung § 672 Satz 1 BGB davon aus, dass die Beauftragung des Wahlverteidigers im Falle des Todes des Besch. jedenfalls partiell weiterwirkt (vgl. OLG Frankfurt, NStZ-RR 2002, 246; OLG Düsseldorf (2. Senat), MDR 1993, 162; HansOLG Hamburg, NJW 1983, 464; NJW 1971, 2183; OLG Hamm, NJW 1978, 177; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl. vor § 137 Rdn. 7 und § 464 Rdn. 22; Julius in HD-StPO, 3 Aufl., § 137 Rdn. 8; Krehl in HD-StPO, 3. Aufl., § 464 Rdn. 20). Stellungnahmen zu Beendigung oder Fortbestand der Bestellung eines Pflichtverteidigers im Falle des Todes des Besch. finden sich demgegenüber nicht. Der Senat bejaht ein Fortwirken der Pflichtverteidigerbestellung für das Beschwerdeverfahren gegen die im Einstellungsbeschluss vom 05.09.2002 getroffene Auslagenentscheidung.
Der Fortbestand der Pflichtverteidigerbestellung ergibt sich aus der Notwendigkeit, in dem zu einer förmlichen Beendigung des Strafverfahrens führenden Verfahrensabschnitt den - wenn auch im Interesse mittelbar betroffener Dritter - über den Tod hinauswirkenden Belangen des Besch. durch eine korrespondierende Verfahrensbeteiligung Rechnung zu tragen.
Ob der Tod des Besch. ohne weiteres die Beendigung des Strafverfahrens zur Folge hat (vgl. BGHSt 34, 184; OLG Karlsruhe, Die Justiz 1983, 132; OLG Düsseldorf, MDR 1993, 162 - 1. Senat -) oder das Verfahren durch eine Einstellungsentscheidung förmlich abzuschließen ist (BGHSt 45, 108; Meyer-Goßner, a.a.O., § 206 a Rdn. 8) war lange Zeit umstritten. Diese Kontroverse hat in der Rechtsprechung durch den Beschluss des BGH vom 08.06.1999 (BGHSt 45, 108) ihren Abschluss gefunden. Der BGH hat nunmehr -nach Durchführung des Anfrageverfahrens nach § 132 Abs. 3 GVG unter Aufgabe bisher entgegenstehender Rechtsprechung - entschieden, dass der Tod des Betroffenen oder Besch. ein Verfahrenshindernis darstellt, bei dessen Eintreten ein förmlich eingeleitetes Bußgeld- oder Strafverfahren durch eine Verfahrenseinstellung formell abzuschließen ist. Dabei ist für das Erfordernis einer förmlichen, der Rechtskraft fähigen Einstellungsentscheidung (BGHSt 45, 108, 114) neben dem Bestreben, einen möglichen Dissens der Verfahrensbeteiligten über den Eintritt des Verfahrenshindernisses verfahrensmäßig zu erfassen, insbesondere auch die Überlegung be...