Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 19.08.1999; Aktenzeichen 15 O 141/99) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 19. August 1999 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Architektenhaftpflichtversicherung – vereinbart sind neben den AHB die Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Berufshaftpflichtversicherung von Architekten, Bauingenieuren und Beratenden Ingenieuren – auf Freistellung von einer Haftpflichtverbindlichkeit seines Bauherrn B. gemäß rechtskräftigem Haftpflichturteil des LG Münster vom 26.01.1999 (11 O 201/98) in Anspruch.
Im September 1995 beauftragte Herr B. den Kläger mit dem Umbau und der Erweiterung seines auf dem Grundstück S. in M. stehenden Mehrfamilienhauses. Dadurch sollte die Baulücke zu dem auf dem Nachbargrundstück S. befindlichen Mehrfamilienhaus geschlossen werden. Die Planung sah die Errichtung eines viergeschossigen Anbaus an das vorhandene Wohnhaus vor, wobei die in der Grenzwand des Nachbarhauses befindlichen Badezimmerfenster im ersten bis dritten Obergeschoß verschlossen und durch den Einbau einer künstlichen Be- und Entlüftungsanlage für die betroffenen Badezimmer ersetzt werden sollten.
Nach Einholung der erforderlichen Baugenehmigung (Erteilung am 05.12.1995) wurde am 28.08.1996 mit den Bauarbeiten begonnen. Die betroffenen Nachbarn setzten sich zunächst in einem einstweiligen Verfügungsverfahren und sodann in einem Hauptsacheverfahren gegen das geplante Bauvorhaben zur Wehr und verlangten die Einhaltung eines Mindestabstandes von 2 m. In der Berufungsverhandlung wurde am 10.11.1997 ein Vergleich geschlossen, durch den die Nachbarn die Bebauung gegen Zahlung eines Betrages von 25.000,00 DM duldeten.
In dem vom Bauherrn B. gegen den Kläger angestrengten Haftpflichtprozeß ist der Kläger rechtskräftig zur Zahlung von 40.255,25 DM nebst Zinsen (Prozeßkosten der von den Nachbarn angestrengten beiden Verfahren zuzüglich des durch den Nachbarwiderspruch entstandenen Verjährungsschadens) verurteilt worden. Eine ihm zur Last fallende positive Vertragsverletzung ist darin gesehen worden, daß er nach Erteilung der Baugenehmigung nicht dafür gesorgt habe, dass vor Beginn der Bauarbeiten die Zustimmung der betroffenen Nachbarn zu dem geplanten Bauvorhaben vorlag, oder mindestens eine Unterrichtung der Nachbarn in der nach § 3 Abs. 1 lit. a NachbG NW vorgeschriebenen Art und Weise vorgenommen worden sei.
Die in diesem Rechtsstreit auf Deckungsschutz in Anspruch genommene Beklagte hält sich für leistungsfrei. Sie verweist auf den Ausschluß für Schäden, die der VN durch ein bewußt gesetz-, vorschrifts- oder sonst pflichtwidriges Verhalten verursacht hat (Abschnitt IV Nr. 8 BB). Außerdem meint sie, der maßgebliche erste Verstoß des Klägers liege außerhalb des versicherten Zeitraums.
Durch das angefochtene Urteil hat sich das Landgericht beiden Argumenten der Beklagten angeschlossen und die Klage abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete zulässige Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Die Beklagte ist ihm gegenüber nicht zur Gewährung von Deckungsschutz aus dem Architektenhaftpflichtversicherungsvertrag verpflichtet, weil zum Zeitpunkt des maßgeblichen Verstoßes i.S.d. Abschnitts A I Nr. 1 BB für den Kläger kein Versicherungsschutz bestand.
Anders als in der gewöhnlichen Haftpflichtversicherung (§ 1 Nr. 1, 5 Nr. 1 AHB) ist in der Berufshaftpflichtversicherung von Architekten der Versicherungsfall nicht das Schadenereignis, sondern der in den Versicherungszeitraum fallende Verstoß, für dessen Folgen ein Dritter den VN auf Schadensersatz in Anspruch nimmt. Dabei wird unter dem maßgeblichen Verstoß schon das erste fehlerhafte Verhalten des Architekten verstanden, das in unmittelbarer Kausalkette den Schaden herbeigeführt hat (OLG Nürnberg VersR 1994, 1462; Prölss/Martin/Voit, VVG, 26. Aufl., Arch.-Haftpfl. Rdn. 10; Späte, Haftpflichtversicherung, Rdn. 28; Schmalzl, Die Berufshaftpflichtversicherung des Architekten und des Bauunternehmers, Rdn. 251).
Dieser Zeitpunkt ist, wenn das Fehlverhalten in einem positiven Tun des VN besteht, eindeutig zu bestimmen. Der erste Verstoß bleibt auch dann maßgeblich, wenn der Architekt die Möglichkeit und die Rechtspflicht gehabt hätte, ihn im weiteren Verlauf seiner Tätigkeit zu berichtigen und damit einer schädlichen Auswirkung entgegenzuwirken (Schmalzl a.a.O., Rdn. 251 m.w.N.). Im Streitfall besteht das Fehlverhalten des Klägers jedoch nicht in einem positiven Tun. Durch das rechtskräftige Haftpflichturteil ist für die Deckungsebene bindend festgestellt, daß der Kläger nach Erteilung der Baugenehmigung (05.12.1995) nicht dafür gesorgt hat, daß vor Beginn der Bauarbeiten (28.08.1996) die Zustimmung der betroffenen Nachbarn zu dem geplanten Bauvorhaben vorlag, mindestens aber eine Unterrichtung der Nachbarn gemäß § 3 Abs. 1 lit. a NachbG NW vorgenommen worden sei...