Leitsatz (amtlich)
1. Der nach einem Rechtsstreit mit einem Regressmandat betraute Rechtsanwalt hat von einem Schadensersatzprozess gegen den Prozessanwalt abzuraten, wenn der Mandant den Prozess ohne den (vermeintlichen) Fehler des Prozessanwalts nicht nachweislich hätte gewinnen können.
2. Die Niederlage im Arbeitsgerichtsprozess ist dem Rechtsanwalt (Prozessanwalt) nicht anzulasten, wenn er erst verspätet mit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage beauftragt worden war und die nachträgliche Zulassung einer solchen Klage nach nicht in Betracht kam und auch ein etwaiger Wiedereinstellungsanspruch bereits verwirkt war.
Normenkette
BGB §§ 675, 611, 280; KSchG § 4 S. 1, § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 28.07.2010; Aktenzeichen 3 O 466/09) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 28.7.2010 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Wuppertal wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 26.039 EUR
Gründe
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die gegen die Entscheidung vorgebrachten Berufungsgründe rechtfertigen keine dem Kläger günstigere Entscheidung.
I. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 3.3.2011. Dort hat er im Wesentlichen ausgeführt:
Es kann offen bleiben, ob der vom Kläger gestellte Feststellungsantrag bereits unzulässig ist, denn die Klage ist insgesamt unbegründet. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verletzung von anwaltlichen Beratungspflichten nach §§ 611 ff., 675, 280 Abs. 1 BGB zu.
Auftrag des Beklagten war es, etwaige Regressansprüche gegen Rechtsanwalt Dr. Giesler aus Bonn (im Folgenden: Prozessanwalt) zu prüfen. Die dem Kläger dazu erteilte Beratung war zutreffend. Denn ein Regressprozess gegen den Prozessanwalt hatte keine Aussicht auf Erfolg. Eine Pflichtwidrigkeit des Prozessanwalts bei der Bearbeitung des für den Kläger geführten Kündigungsschutzprozesses, die dessen Schadensersatzpflicht begründet hätte, lässt sich nicht feststellen, ist jedenfalls nicht ursächlich geworden für Gehaltsschäden des Klägers.
Der Kläger wirft dem Beklagten folgendes vor: Seine Beratung sei falsch gewesen, da zum Zeitpunkt der Beratung Anfang des Jahres 2006 sehr wohl noch ein durchsetzbarer Schadensersatzanspruch gegen den Prozessanwalt bestanden habe. Dieser habe schuldhaft seine Pflichten aus dem Anwaltsdienstvertrag verletzt, indem er in dem Kündigungsschutzverfahren 4 Ca 1850/99 ArbG Bonn nicht genügend zu dem nach Ansicht des Klägers täuschenden Verhalten seiner Arbeitgeberin bei und nach der Kündigung vorgetragen und die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen nicht anhand der einschlägigen Rechtsprechung dargestellt habe.
Dieser Vortrag ist nicht geeignet, eine Schadenersatzverpflichtung des Beklagten zu begründen, weil eine Schadensersatzverpflichtung des Prozessanwalts nicht entstanden war.
1. Grundsätzlich ist der Rechtsanwalt aufgrund des Anwaltsvertrags in den Grenzen des ihm erteilten Mandats (BGH MDR 1998, 1378; MDR 1996, 2648 f.; Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl., Rz. 482 m.w.N.) verpflichtet, die Interessen seines Mandanten nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen und Schädigungen seines Auftraggebers, mag deren Möglichkeit auch nur von einem Rechtskundigen vorausgesehen werden können, zu vermeiden. Soweit der Mandant nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf, ist der Rechtsanwalt zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet. In den Grenzen des Mandats hat er dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist (BGH WM 1993, 1376; WM 2007, 419; NJW 2007, 2485; WM 2008, 1560). Der konkrete Umfang der anwaltlichen Pflichten richtet sich nach dem erteilten Mandat und den Umständen des einzelnen Falles (BGH WM 1996, 1824; 2008, 1560). Ziel der anwaltlichen Rechtsberatung ist es, dem Mandanten eigenverantwortliche, sachgerechte (Grund-) Entscheidungen ("Weichenstellungen") in seiner Rechtsangelegenheit zu ermöglichen (BGH NJW 2007, 2485; WM 2008, 1560; Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O., Rz. 558).
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Beklagte pflichtgemäß gehandelt, indem er dem Kläger von einem Schadensersatzprozess gegen den Prozessanwalt abgeraten hat. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass ein solcher Prozess Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Der hierfür darlegungs- und beweispflichtige Kläger hat nicht schlüssig dargetan, dass eine Pflichtverletzung seines Prozessanwalts vorlag, die für den vom Kläg...