Leitsatz (amtlich)

1. Die Frage im Antragsformular für eine private Berufsunfähigkeitsversicherung, ob in den letzten fünf Jahren "Behandlungen, Beratungen oder Untersuchungen durch Ärzte, sonstige Behandler oder im Krankenhaus" stattgefunden haben, ist keine unzulässige Globalfrage.

2. Eine Behandlung, die eine Überweisung zum MRT und eine einmonatige Krankschreibung nach sich zieht, ist unabhängig von ihrer Schwere nicht als belanglos anzusehen und darf bei Antragstellung nicht verschwiegen werden.

3. Es kann eine arglistige Täuschung auch des Versicherers darstellen, wenn ein Antragsteller eine Krankschreibung von erheblicher Dauer verschweigt, selbst wenn dieser eine Bagatellerkrankung zugrunde lag und die Krankschreibung nur erwirkt wurde, um den Belastungen eines Arbeitsverhältnisses zu entgehen.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 1926/22)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Leipzig vom 21.03.2023 - 3 O 1926/23 - wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Gläubigerseite Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.642,31 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger - von Beruf Grundschullehrer - verlangt von der Beklagten Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Der auf Abschluss der Versicherung gerichtete Antrag datiert vom 05.01.2012 (BLD1), die Versicherung wurde mit Wirkung zum 01.02.2012 policiert (Anlage K1). Im Versicherungsantrag vom 05.01.2012 (BLD1) hatte der Kläger unter anderem folgende Gesundheitsfragen mit "nein" beantwortet:

8. Bestehen bei Ihnen derzeit dauerhafte Beeinträchtigungen. Erkrankungen oder Störungen der Psyche lz B Depressionen, Angstzustände, Essstörungen, Suizidversuche oder wurden Sie in den letzten zehn Jahren diesbezüglich beraten, untersucht oder behandelt

10. Fanden in den letzten 5 Jahren Behandlungen, Beratungen oder Untersuchungen durch Ärzte, sonstige Behandler oder im Krankenhaus statt? Wann? Weswegen? Name: Anschrift/Fachrichtung

11. Bestehen oder bestanden bei Ihnen in den letzten 5 Jahren Krankheiten, Gesundheits- oder Funktionsstörungen, Beeinträchtigungen, Beschwerden:

11k des Stütz- und Bewegungsapparates wie der Wirbelsäule, der Bandscheiben, der Knochen. der Gelenke, der Muskeln. der Sehnen oder der Bänder (z. B. Bewegungseinschränkungen, Rückgratverkrümmung, Hexenschuss, Bandscheibenvorfall Meniskusschaden, Sehnenscheidenentzündung, Gelenkentzündungen, Arthrose, Rheuma, Fibromyalgie)?"

Am 30.05.2020 stellte der Kläger erstmalig einen Leistungsantrag (Anlage K14). In seinem zuletzt ausgeübten Beruf als Grundschullehrer mit 37,5 Wochenstunden könne er wegen psychovegetativer Erschöpfung seit Oktober 2018, einer Anpassungsstörung und einer depressiven Episode nicht mehr arbeiten. Zuvor hatte er im Jahre 2019 unter anderem eine Psychotherapie und vom 10.09. bis zum 15.10.2019 eine Rehabilitation durchlaufen. Der Rehabilitationsbericht der Klinik Bad Bocklet aus dem Jahre 2019 (Anlage K4) weist aus, dass der Kläger in "nicht gebessertem psychophysischen Allgemeinzustand arbeitsunfähig entlassen wurde", er aber "unter Berücksichtigung des Anforderungsprofils der besonderen Belastungen der zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit ohne qualitative Einschränkungen ... ein quantitatives Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr täglich" habe (Bl. 1 a der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung und Epikrise Anlage K4). Der Kläger hat seinen Anspruch auf den Zeitraum vom 20.10.2018 bis zum 19.04.2020 beschränkt. Seit dem 01.07.2020 arbeitet er wieder in Teilzeit (78%) als Lehrer (S. 5 Klageschrift und Leistungsantrag BLD 3/K 14, S. 10).

Die Beklagte trat in die Leistungsprüfung ein. Aus den eingeholten Arztauskünften ergab sich, dass der Kläger im Zeitraum vom 30.08. bis zum 01.10.2010 durchgehend krankgeschrieben war, und zwar zunächst für acht Tage wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung, zugleich vom 30.08. bis zum 21.09.2010 - also für 23 Tage - wegen "Rückenschmerzen, nicht näher bezeichnet", und sodann vom 20.09. bis 01.10.2010 für zwölf weitere Tage wegen einer Ischialgie, lumbalen und sonstigen Bandscheibenschäden mit Radikulopathie (Anlage K16 und BLD4).

Vor diesem Hintergrund erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 05.01.2021 (K 16) den Rücktritt vom Vertrag gemäß § 19 Abs. 2 VVG mit der Begründung, durch das Verschweigen der posttraumatischen Belastungsstörung, der Rückenschmerzen und der lumbalen und sonstigen Bandscheibenschäden mit Radikulopathie und damit verbundener Krankschreibung habe der Kläger vorsätzlich seine vorvertraglichen Anzeigepflichten verletzt. Wären diese Umstände mitgeteilt worden, hätte sie den Versicherungsschutz "keinesfalls zu normalen Konditi...

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