Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Anforderungen an die Beweisführung bei behauptetem Bettwanzenbefall

 

Normenkette

BGB § 651d a.F., § 651f a.F.; ZPO § 286

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 08.04.2019; Aktenzeichen 1 O 148/18)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 8. April 2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hannover unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.577,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2018 sowie weitere 150 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14. September 2018 zu zahlen.

Die Beklagte wird des Weiteren verurteilt, an die R+V Rechtsschutz-Schadensregulierungs-GmbH, Raiffeisenplatz 1, 65189 Wiesbaden, 342,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14. September 2018 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 12 % und die Beklagte zu 88 %.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.212,36 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger macht gegenüber der Reiseveranstalterin aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau nach einer Pauschalreise auf die M. Minderung und Schmerzensgeld mit der Begründung geltend, in dem dort bezogenen Bungalow in erheblichem Umfang von Bettwanzen gebissen worden zu sein.

Der Kläger trat im August 2016 zusammen mit seiner Ehefrau eine bei der Beklagten gebuchte 13-tägige Pauschalreise auf die M.insel "P. I." an. Spätestens am achten Reisetag wandten sich die Eheleute an die Hotelrezeption und monierten, unter erheblichem Juckreiz aufgrund von Quaddeln und Bläschen auf der Haut zu leiden. Daraufhin wurden die Matratzen in ihrem Bungalow ausgetauscht, nicht aber die Bettwäsche.

Der Kläger behauptet, seine Ehefrau und er hätten sich bereits am fünften und sechsten Reisetag an die Hotelrezeption gewandt. Der Hotelmanager sei von Moskitostichen oder Sandflohbissen ausgegangen. Dagegen eingesetzte Heilmittel seien aber wirkungslos geblieben. Am Tag nach der Rückkehr nach Hause stellten sie sich bei einem Hausarzt vor, der einen "massiven Bettwanzenbissbefund am ganzen Körper" bescheinigte. Der Kläger hat ein Konvolut von Lichtbildern vorgelegt und hierzu erläutert, diese zeigten die Hautreaktionen am Körper seiner Ehefrau und an seinem Körper; sie seien überwiegend am drittletzten Reisetag und teilweise am Tag der ärztlichen Untersuchung aufgenommen worden.

Die Beklagte bestreitet, dass Bisse von Bettwanzen die Ursache der Beschwerden gewesen seien. Die vom Hausarzt getroffenen Feststellungen seien zum Nachweis eines schon während der Reise erlittenen Bettwanzenbefalls ungeeignet, weil sie erst nachträglich getroffen wurden. Signifikant sei, dass in dem vom Kläger und seiner Ehefrau bewohnten Bungalow und insbesondere auf dem Bett keine der für Bettwanzen typischen Spuren gefunden worden seien.

Das Landgericht hat sich der Argumentation der Beklagten angeschlossen und die Klage abgewiesen. Es hat gemeint, die vorgelegten Lichtbilder und der ärztliche Befund des Hausarztes stellten keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen für die Einholung des Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen dar, weil sie keinen Rückschluss auf die Lage am fünften oder achten Reisetag erlaubten.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger die geltend gemachten Ansprüche weiter.

Der Senat hat das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen eingeholt, den behandelnden Hausarzt als sachverständigen Zeugen vernommen und den Kläger persönlich angehört.

Auf die weitere Darstellung des Tatbestands im Einzelnen und der zweitinstanzlich angekündigten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO verzichtet.

II. Die Berufung ist weit überwiegend begründet.

1. Die von der Beklagten veranstaltete Reise war im Sinne des § 651c Abs. 1 BGB (a.F.) mangelhaft. Sie war mit Fehlern behaftet, die ihren Wert zu dem vertraglich vorausgesetzten Nutzen minderten. Deshalb mindert sich der Reisepreis gemäß § 651d Abs. 1 BGB (a.F.). Dem Kläger als alleinigem Vertragspartner der Beklagten steht gemäß § 651d Abs. 1 Satz 2, § 638 Abs. 4 BGB (a. F.) ein Rückerstattungsanspruch in Höhe von 2.577,24 EUR zu, weil er den ursprünglichen Reisepreis unstreitig bereits voll entrichtet hat.

a) Die Reise wies in einer wesentlichen Hinsicht einen Fehler auf. Der dem Kläger und seiner Ehefrau zugewiesene Bungalow war von Ungeziefer befallen, dessen Bisse das körperliche Wohlempfinden beider Eheleute erheblich beeinträchtigte. Deshalb war der auf Erholung gerichtete Reisezweck allenfalls sehr unvollständig erreichbar.

aa) Der Senat ist nach der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Kläger und seine Ehefrau im Zeitpunkt de...

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