Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung der öffentlichen Bekanntmachung einer Musterfeststellungsklage mangels Nachweises des Vorliegens der Voraussetzungen des § 606 Abs. 1 Satz 2 ZPO
Leitsatz (amtlich)
1. Jedenfalls im Einzelfall kann es angezeigt sein, dass der Kläger eines Musterfeststellungsklageverfahrens zum Nachweis der erforderlichen Mindestmitgliederzahl nach § 606 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZPO nicht lediglich ein anonymisiertes Mitgliederverzeichnis und eine eidesstattliche Versicherung des Vorstandes vorlegt sowie dessen persönliche Anhörung anbietet.
2. Um festzustellen zu können, dass der Kläger eines Musterfeststellungsklageverfahrens in Erfüllung seiner satzungsmäßigen Aufgaben Verbraucherinteressen weitgehend durch nicht gewerbsmäßige aufklärende oder beratende Tätigkeiten wahrnimmt (§ 606 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 ZPO), ist Vortrag erforderlich, der das Gericht in die Lage versetzt, den Umfang der nicht gewerbsmäßigen aufklärenden oder beratenden Tätigkeiten und der sonstigen Tätigkeiten zu gewichten.
Normenkette
ZPO § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1, § 606 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1, 3, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 607 Abs. 2
Nachgehend
Tenor
Die Musterfeststellungsklage vom 1. November 2018 wird nicht gemäß § 607 Abs. 1 ZPO öffentlich bekanntgemacht.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Musterkläger begehrt mit der verfahrensgegenständlichen Musterfeststellungsklage vom 1.11.2018 u.a. die Feststellung, dass die von der Musterbeklagten bei Abschluss von Verbraucherdarlehensverträgen verwendeten Widerrufsbelehrungen den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt hätten und damit die jeweilige Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen habe.
Im gegenwärtigen Verfahrensstadium, in dem der Senat über die öffentliche Bekanntmachung der Musterfeststellungsklage gem. § 607 ZPO zu entscheiden hat, streiten die Parteien insbesondere darüber, ob es sich bei dem Musterkläger um eine qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 606 Abs. 1 S. 2 ZPO handelt.
Der Musterkläger ist seit dem Jahr 2004 in der Liste nach § 4 UKlaG eingetragen. Ausweislich der Satzung (Anlage MK 01-06) besteht neben der Vollmitgliedschaft auch die Möglichkeit einer sogenannten Internetmitgliedschaft. Bei einer Internetmitgliedschaft ist das Mitglied nicht stimmberechtigt. Die Einnahmen des Musterklägers beliefen sich im Jahr 2017 auf 552.522,53 EUR und im ersten Halbjahr 2018 auf 591.528,15 EUR. Davon entfallen 11.835,- EUR (Jahr 2017) und 6.620,- EUR (1. Halbjahr 2018) auf Mitgliedsbeiträge und Spenden. Die restlichen Einnahmen rühren aus Vertragsstrafen her oder sind als "Erlöse 7 %" gekennzeichnet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage MK 01-07 Bezug genommen.
Der Musterkläger behauptet, er erfülle die an eine qualifizierte Einrichtung zu stellenden Anforderungen. Er habe mehr als 350 natürliche Personen als Mitglieder. In diesem Zusammenhang hat er mit der Klageschrift eine Tabelle mit 377 Eintragungen, aus der weder die Nachnamen noch die vollständigen Anschriften der behaupteten Mitglieder ersichtlich sind (Anlage MK 01-03), sowie eine eidesstattliche Versicherung eines Vorstandmitgliedes vorlegt (Anlage MK 01-04).
Die Musterbeklagte hat zu der Klageschrift mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22.11.2018 Stellung genommen. Die Musterbeklagte meint, dass es sich bei dem Musterkläger um keine qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 606 Abs. 1 S. 2 ZPO handele. Sie ist der Auffassung, anhand der seitens des Musterklägers vorgelegten anonymisierten Liste lasse sich nicht feststellen, dass der Musterkläger über die erforderliche Mindestmitgliederzahl verfüge. Eine Identifizierung der möglichen Mitglieder und damit eine Überprüfung der Mitgliedschaft sei so nicht möglich, zumal, wie sie in diesem Zusammenhang vorträgt, verschiedentlich die Eintragungen betreffend Postleitzahl und Ort nicht zueinander passten. Sie gehe davon aus, dass es sich bei rund 30 vorgebrachten Mitgliedern um Angehörige der Rechtsanwaltskanzleien der Prozessbevollmächtigten des Musterklägers handele. Ausweislich der Anlage MK 01-07 erziele der Musterkläger zudem den Großteil seiner Einnahmen durch Abmahntätigkeiten. Es lasse sich also weder feststellen, dass der Musterkläger seine satzungsgemäßen Aufgaben weitgehend durch nicht gewerbsmäßige aufklärende oder beratende Tätigkeiten wahrnehme, noch, dass der Musterkläger nicht in der Absicht handele, Gewinn - sei es für sich selbst oder die ihn vertretenden Rechtsanwaltskanzleien - zu erzielen.
Das Gericht hat den Musterkläger mit Verfügung des Vorsitzenden vom 27.11.2018 aufgefordert, u.a. eine nicht anonymisierte Mitgliederliste vorzulegen und konkret zu den von ihm ausgeübten Tätigkeiten vorzutragen. Die Mitgliedschaft möge durch Vorlage der Beitrittserklärungen oder der Gründungsurkunde des Vereins belegt werden.
Der Musterkläger hat mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.11.2018 zwei weitere Mitgliederlisten (MK 07-03, Stand: 30.10.2018 ...