Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit. haftungsausfüllende Kausalität. nicht berufsbedingte Vorerkrankung. Kehlkopfkrebs. bescheinigte Rezidivfreiheit. Vinylchloridexposition. Leberkrebs. Chemieunternehmen

 

Orientierungssatz

Zur Anerkennung einer Leberkrebserkrankung eines im Kombinat Chemische Werke BUNA Beschäftigten, der während seiner beruflichen Tätigkeit über mehrere Jahrzehnte Vinylchlorid ausgesetzt war und an einer "abgelaufenen" und nicht berufsbedingten Kehlkopfkrebserkrankung gelitten hatte, als Berufskrankheit gem BKVO Anl 1 Nr 1302.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei dem ... 1929 geborenen und ... 1996 verstorbenen H Sch (im Folgenden: der Versicherte) eine Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 1302 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) vorgelegen hat. Die Klägerin ist die Witwe des Verstorbenen; sie hat zum Zeitpunkt seines Todes mit ihm in einem Haushalt gelebt.

Der Versicherte war von April 1944 bis zum Ende März 1990 als Chemielaborjungwerker, Chemiefacharbeiter, Brigadier, Anlagenfahrer, Meister, Schichtleiter und Technologe im Kombinat Chemische Werke BUNA in Sch beschäftigt. Im Jahr 1984 erlitt er einen Kehlkopfkrebs an der rechten Stimmlippe. Nach entsprechender Behandlung arbeitete er bis zu seiner Invalidisierung wegen einer Herzerkrankung im Jahr 1990 weiter.

Schon 1992 suchte der Versicherte die Beklagte auf und beantragte die Anerkennung seiner damaligen Krebserkrankung als Berufskrankheit, weil er von 1944 bis 1985 im B.-Werk Vinylchlorid ausgesetzt gewesen sei. Nach Beiziehung des Invalidisierungsgutachtens und der Krankenunterlagen von der BUNA-AG lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit mit Schreiben vom 12. Mai 1992 ab, da der angeschuldigte Stoff nach medizinischem Erkenntnisstand keinen Kehlkopfkrebs verursache. Der Versicherte focht diese Entscheidung nicht an.

Seit Juli 1996 stellten sich bei dem Versicherten Oberbauchbeschwerden ein. Er wurde zunächst ambulant behandelt, da er eine stationäre Aufnahme ablehnte (Befundbericht Dr. P vom 6. Dezember 1996). Am 24. Juli 1996 wurde eine ambulante, kontrastmittelgestützte Computertomographie des Oberbauches angefertigt, welche einen großen Herd im rechten Leberlappen zeigte. Die Assistenzärztin der Radiologie R vermerkte, es komme differenzialdiagnostisch in erster Linie ein hepatozelluläres Karzinom in Betracht, da klinisch ein Hinweis auf ein entzündliches Geschehen fehle und es keinen Anhaltspunkt für einen Primärtumor anderer Entstehung gebe. Sie empfahl zur differentialdiagnostischen Bestimmung eine Leberbiopsie.

Vom 1. bis zum 24. Oktober 1996 wurde der Versicherte zur Diagnostik im C-V-B-Klinikum M stationär aufgenommen. Dort wurden bei einer Ultraschalluntersuchung die Nieren, die Bauchspeicheldrüse und die Gallenblase als unauffällig bezeichnet, wohingegen die Leber unklare Herde aufwies (Befundbericht vom 24. Oktober 1996). Eine computertomographisch gestützte Leberbiopsie ergab ein komplett nekrotisches Gewebe, wobei der Pathologe einen Tumor als Ursache für möglich hielt, welcher aber anhand der Gewebeprobe nicht zu beweisen sei (Bericht des Pathologen Prof. Dr. M vom 25. Oktober 1996).

Sowohl ambulant am 15. Juli und 22. August 1996 als auch während des Klinikaufenthaltes waren außerdem Magenspiegelungen vorgenommen worden. Der Befund vom 15. Juli 1996 zeigte einzelne Erosionen in der Magenhöhle und im ersten Abschnitt des Zwölffingerdarms. Eine Biopsie der Magenschleimhaut ergab eine feinfleckige Besiedelung durch Helicobacter pylori und eine geringgradig chronisch-aktive Gastritis mit beginnender Gewebeumbildung des Darmes ohne Anzeichen einer Wucherung (intestinale Metaplasie ohne proliferativen Prozess, Befundbericht des Pathologen Dipl.-Med. T vom 17. Juli 1996). Der Befund vom 22. August 1996 zeigte eine geringgradig vernarbte Magenschleimhaut ohne bösartigen Befund und ohne Nachweis von Helicobacter pylori. Die Gastroskopie in der Klinik am 4. Oktober 1996 ergab keinen von der Vorbeurteilung abweichenden Befund.

Der Versicherte war vorübergehend nach Hause entlassen worden. Am 25. November 1996 war er wegen einer zunehmenden Gelbsucht, eines Kräfteverfalls und einer Bauchwassersucht erneut in demselben Krankenhaus aufgenommen worden (Befundbericht vom 10. Januar 1997). Es zeigte sich im Ultraschall eine Gallengangsstauung ausgehend von einer vergrößerten Leber. Eine weitere Diagnostik, eine endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP, röntgenbildgestützte Darstellung der Gallen- und Pankreasgänge durch endoskopisch eingebrachtes Kontrastmittel) ergab einen Verdacht auf eine metastatische Einengung eines galleableitenden Kanals, des Ductus choledochus. Am 28. November 1996 verstarb der Versicherte nach einem Leberkoma. Im Bericht der Klinik vom 10. Januar 1997 war vermerkt, eine Autopsie sei auf Wunsch der Angehörigen nicht durchgeführt worden.

Schon am 18. November 1996 hatte sich der So...

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