Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit der Untätigkeitsklage bei fehlendem Verwaltungsakt

 

Leitsatz (amtlich)

Fehlt es an einem Verwaltungsakt, gegen den durch Erhebung eines Widerspruchs ein Vorverfahren (§ 84 Abs 1 S 1 SGG) eingeleitet werden kann, und ist eine Behörde - hier: im Kostenerstattungsverfahren - auch nicht befugt, durch Verwaltungsakt zu handeln, kann gegen die behördliche Weigerung, einen Widerspruchsbescheid zu erlassen, nicht mit einer Untätigkeitsklage vorgegangen werden.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 06.10.2011; Aktenzeichen B 9 SB 45/11 B)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 13. Dezember 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte verpflichtet ist, einen Widerspruchsbescheid zu erlassen.

Die Klägerin hatte vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim eine Klage erhoben, mit der sie die Erhöhung ihres Grades der Behinderung (GdB) begehrte (Az: S 18 SB 59/08). Das Verfahren endete durch angenommenes Anerkenntnis des Beklagten, der sich zugleich bereit erklärte, die der Klägerin entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten in voller Höhe zu erstatten.

Auf Antrag der Klägerin setzte der Urkundsbeamte der Geschäftstelle des SG Hildesheim die vom Beklagten zu erstattenden notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin auf 464,10 € fest (Beschluss vom 07. April 2009). Hiergegen legte der Beklagte Erinnerung ein, die mit Beschluss des SG Hildesheim vom 19. Juni 2009 zurückgewiesen wurde (Az. S 12 SF 90/09 E). Eine Kostenentscheidung erging in diesem Beschluss - unter Hinweis auf juristische Kommentarliteratur hierzu - ausdrücklich nicht.

Mit Schreiben vom 01. Juli 2009 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für diese bei dem Beklagten unter Bezugnahme auf den Beschluss des SG Hildesheim vom 19. Juni 2009, die Gebühren für seine Tätigkeit im Erinnerungsverfahren entsprechend der beigefügten Kostenrechnung auf 124,95 € festzusetzen. Mit Schreiben vom 04. August 2009 teilte der Beklagte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin daraufhin Folgendes mit:

“Sehr geehrter Herr I.,

unter Hinweis auf den Beschluss des Sozialgericht vom 19.06.2009 und unter Bezugnahme auf den Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 04.03.2009 S 12 SF 193/08 ist der Beklagte nicht bereit Gebühren für das Erinnerungsverfahren zu erstatten.

Mit Beschluss des Sozialgerichts vom 19.06.2009 ist entschieden worden, dass keine Kostenentscheidung im Erinnerungsverfahren nach § 197 Abs. 2 Sozialgesetz ergeht und insofern auch kein Kostenerstattungsanspruch besteht.„

Hiergegen erhob die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, vorsorglich mit Schreiben vom 12. August 2009, beim Beklagten eingegangen am 13. August 2009, Widerspruch und erklärte, sie gehe davon aus, dass der Antrag vom 01.07.2009 konkludent als Antrag bewertet werde, wonach die Kosten des Erinnerungsverfahrens der Landeskasse aufzuerlegen seien und die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für erforderlich erklärt werde. Sofern sich der Beklagte dieser Auffassung nicht anschließen sollte, sollten diese Anträge vorsorglich als gestellt gelten. Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Anwaltskosten für die Durchführung des Erinnerungsverfahrens ergebe sich aus dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG, Gebührenziffer 3501). Der Beklagte teilte hierzu mit Schreiben vom 19. August 2009 mit, er sei nach wie vor der Auffassung, dass die Kosten des Erinnerungsverfahrens von ihm nicht zu erstatten seien. Im Übrigen handele es sich bei seinem Schriftsatz vom 04. August 2009 nicht um einen Bescheid, sondern lediglich um eine Mitteilung. Sollte eine Einigung hinsichtlich der Erinnerungsgebühr nicht zu erzielen sein, werde die Klägerin gebeten, die Kostenfestsetzung beim zuständigen Sozialgericht zu beantragen.

Daraufhin beantragte die Klägerin beim SG Hildesheim, dem Beklagten die Kosten des Erinnerungsverfahrens aufzuerlegen, und verwies darauf, dass entsprechend den gesetzlichen Vorgaben und auch nach der vom SG Hildesheim in einem anderen Beschluss (Az. S 25 SF 109/09 E) geäußerten Rechtsauffassung die Kosten des Erinnerungsverfahrens dem Beklagten als Erinnerungsführer aufzuerlegen seien. Das SG Hildesheim teilte der Klägerin hierauf mit Schreiben vom 01. September 2009 mit, dass eine Ergänzung des Beschlusses vom 19. Juni 2009 hinsichtlich der Kostentragungspflicht nicht in Betracht komme. Das Gericht habe die Frage der Kostentragungspflicht nicht übersehen, wie dem vorletzten Absatz des Beschlusses zu entnehmen sei, sondern bislang lediglich eine andere Rechtsauffassung hierzu vertreten. Eine geänderte Rechtsprechung führe jedoch nicht dazu, dass rechtskräftig abgeschlossene Verfahren nunmehr wieder neu aufgenommen würden.

Auf Aufforderung des Prozessbevollmächtigten der Klägeri...

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