Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderbedarfszulassung im Zusammenhang mit Belegarzttätigkeit. Missbrauchskontrolle. Krankenhausträger. Belegarztvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Missbrauchskontrolle bei der Erteilung einer Sonderbedarfszulassung im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Belegarzt (Abgrenzung zum Senatsbeschluss des LSG Celle-Bremen vom 18.2.2009 - L 3 KA 98/08 ER = GesR 2009, 542).

2. Maßgeblich für die Frage, ob sich ein Krankenhausträger missbräuchlich Leistungen versprechen lässt, die vom typischen belegärztlichen Tätigkeitsbereich abweichen, ist der Belegarztvertrag; ein Rechtsirrtum über den Vertragsinhalt ist unbeachtlich.

 

Tenor

Die Berufungen der Kläger zu 2. und 3. gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 9. November 2011 werden zurückgewiesen.

Die Kläger zu 2. und 3. tragen die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 1.-6. und zu 8., die diese selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 60.000,00 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Kläger zu 2. und 3. wenden sich gegen eine dem Beigeladenen zu 7. erteilte Sonderbedarfszulassung.

Die beiden Kläger sind als Fachärzte für Hals-Nasen-Ohren-(HNO-)Heilkunde in Berufsausübungsgemeinschaft in I. (Kreis J.) niedergelassen und nehmen an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Der Zulassungsbezirk J. ist wegen Überversorgung für die Zulassung weiterer HNO-Ärzte gesperrt (Versorgungsgrad im Februar 2008: 118,3 %; gegenwärtig: 153,3 % ≪vgl Website der Klägerin zu 1., www.kvn.de, dort unter den Suchbegriffen Bedarfsplan/HNO-Ärzte≫). Der Kläger zu 2. war außerdem - gemeinsam mit dem in J. zugelassenen Vertragsarzt K. - als Belegarzt in der HNO-Belegabteilung des Beigeladenen zu 8. tätig, für die zum damaligen Zeitpunkt im Krankenhausplan vier Betten vorgesehen waren. Der zugrunde liegende Belegarztvertrag war zuletzt bis zum 30. September 2007 befristet. Verhandlungen zwischen dem Kläger zu 2. und dem Beigeladenen zu 8. über eine Verlängerung scheiterten (ua) daran, dass sich die Vertragspartner nicht über die Frage der Vergütung eines “Bereitschaftsdienstes„ im Krankenhaus einigen konnten.

Der Beigeladene zu 8. schrieb daraufhin das Angebot zum Abschluss eines Belegarztvertrages für die Fachrichtung HNO-Heilkunde im Deutschen Ärzteblatt vom 6. August 2007 aus. Innerhalb der dabei gesetzten Frist von vier Wochen meldete sich nur der Beigeladene zu 7., der bislang in einem Krankenhaus in L. tätig gewesen war. Die Beigeladenen zu 7. und 8. schlossen daraufhin einen Belegarztvertrag. Beim Zulassungsausschuss für Ärzte J. beantragte der Beigeladene zu 7. eine Sonderbedarfszulassung nach § 103 Abs 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) unter der Praxisadresse des M., mit dem er in Berufsausübungsgemeinschaft tätig werden wollte. Der Zulassungsausschuss befragte die im Zulassungsbezirk J. als Vertragsärzte niedergelassenen HNO-Ärzte zum Zulassungsantrag des Beigeladenen zu 7., wobei die Kläger zu 2. und 3. mitteilten, sie seien an einer belegärztlichen Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 8. “unter anderen Bedingungen„ interessiert (Schreiben vom 19. Oktober 2007). Mit Feststellungsbescheid vom 20. Dezember 2007 reduzierte das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit die Zahl der Planbetten in der HNO-Belegabteilung des Beigeladenen zu 8. auf drei.

Mit Beschluss vom 13. Februar 2008 ließ der Zulassungsausschuss den Beigeladenen zu 7. für die Dauer seiner belegärztlichen Tätigkeit als Facharzt für HNO-Heilkunde im Klinikum des Beigeladenen zu 8. zu. Hiergegen legten (ua) die Kläger zu 1. bis 3. jeweils Widerspruch ein. Die Klägerin zu 1. vertrat die Auffassung, eine Sonderbedarfszulassung nach § 103 Abs 7 SGB V hätte nicht erteilt werden dürfen, weil dem Beigeladenen zu 7. zusammen mit dem weiteren am Klinikum tätigen Belegarzt lediglich bis zu drei Betten zur Verfügung stünden. Die Kläger zu 2. und 3. rügten daneben, das Ausschreibungsverfahren sei nicht korrekt durchgeführt worden. Außerdem habe der Krankenhausträger in den seinerzeitigen Vertragsverhandlungen Bedingungen gestellt, die keine vertragsarztrechtliche oder belegärztliche Rechtfertigung hätten.

Der Beklagte wies die Widersprüche mit Beschluss vom 28. Mai 2008 (abgesandt am 17. Juni und berichtigt durch Beschluss vom 20. August 2008) zurück und lehnte die Anordnung des Sofortvollzugs der Sonderbedarfszulassung ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, der Krankenhausträger habe mit allen im Planungsbereich zugelassenen HNO-Ärzten ausreichend verhandelt; dabei seien auch die von ihm vorgegebenen Bedingungen für die belegärztliche Tätigkeit, insbesondere die Durchführung eines 24stündigen Notdienstes für HNO-Heilkunde, legitim. Die geringe Zahl der Belegarztbetten stehe der Zulassung nicht entgegen, weil mit mindestens zwei Belegärzten im HNO-Bereich die Fortführung einer belegärztlichen Tätigkeit im Klinikum des Beigeladenen zu 8. zu realisieren sei.

Hiergegen haben die Kläger...

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