Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit der Beschwerde. Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz. falsche Rechtsmittelbelehrung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Zulässigkeit einer Beschwerde gegen Entscheidungen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in denen der Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht erreicht wird oder in denen wiederkehrende oder laufende Leistungen von bis zu einem Jahr streitig sind, hängt allein davon ab, ob in einem Hauptsacheverfahren die Berufung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 oder § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG zulässig wäre.

2. Eine unrichtig erteilte Rechtsmittelbelehrung durch das erstinstanzliche Gericht führt nicht zur Zulässigkeit der Beschwerde gegen eine in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangene Entscheidung.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 5. November 2008 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

Die am 3. Dezember 2008 durch die Antragstellerin eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 5. November 2008 ist unzulässig.

Nach § 172 Abs. Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in seiner ab 1. April 2008 geltenden Fassung ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung ist die Berufung zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro übersteigt. Das gilt gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Beides ist hier nicht der Fall.

Die Antragstellerin macht einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Schülermonatskarte in Höhe von € 27,50 monatlich ab Oktober 2008 geltend. Begrenzt wird der Zeitraum einer einstweiligen Regelung auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch den dem streitigen Rechtsverhältnis zugrunde liegenden laufenden Bewilligungszeitraum (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21. Oktober 2008 - L 6 AS 458/08 ER - Juris). Selbst wenn man hier nicht auf den bei Beantragung der Leistung laufenden Bewilligungszeitraum bis zum 31. Dezember 2008 (Bewilligungsbescheid vom 30. Juli 2008), sondern auf den aktuellen, bis zum 30. Juni 2009 andauernden Bewilligungszeitraum (Bewilligungsbescheid vom 24. November 2008) abstellt, wird der erforderliche Beschwerdewert von mehr als € 750,-- nicht erreicht, und es sind auch nicht Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen.

Die Zulässigkeit der Beschwerde ergibt sich auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung der in § 144 Abs. 2 SGG genannten Zulassungsgründe. Das SGG sieht für die Beschwerde weder eine Zulassung der Beschwerde durch die Sozialgerichte noch eine Nichtzulassungsbeschwerde vor, über die die Landessozialgerichte zu entscheiden hätten. Auch eine fiktive Prüfung, ob eine Zulassung nach § 144 Abs. 2 SGG zu erfolgen hätte, wenn es sich nicht um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, sondern um ein Hauptsacheverfahren handeln würde, kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht.

Bereits der Wortlaut des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG deutet darauf hin, dass eine Beschwerde nur dann zulässig sein soll, wenn in der Hauptsache die Berufung kraft Gesetzes nach § 144 Abs. 1 SGG - und nicht erst nach ausdrücklicher Zulassung - zulässig wäre (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 10. April 2008 - L 9 B 74/08 AS ER - und vom 2. Juli 2008 - L 7 B 192/08 AS ER - Juris). Denn in einem Hauptsacheverfahren wäre die Berufung bei Vorliegen eines der in § 144 Abs. 2 SGG aufgeführten Zulassungsgründe nicht “zulässig„, sondern “zuzulassen„ (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 8. September 2008 - L 13 AS 178/08 ER - Juris).

Soweit hiergegen eingewandt wird, dass der Wortlaut eindeutiger - etwa wie bei § 127 Abs. 2 S. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) - hätte formuliert werden können (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21. Oktober 2008, a.a.O.), ist dem zwar zuzustimmen. Sinn und Zweck der gesetzlichen Neuregelung sprechen aber dennoch für die hier vertretene Auslegung (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. April 2008 a.a.O.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschlüsse vom 8. September 2008, a.a.O. und vom 29. September 2008 - L 8 SO 80/08 ER - mit weiteren Nachweisen). Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ist die zum 1. April 2008 in Kraft getretene Beschränkung der Beschwerdemöglichkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Entlastung der Landessozialgerichte erfolgt (BT-Drs. 16/7716 S. 22 zu Art.1 Nr. 29 Buchstabe b). Dieses Ziel ist nicht nur im Sinne einer allgemeinen Absichtserklärung genannt worden, die für die Auslegung des § 172 ...

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