Entscheidungsstichwort (Thema)
Meistbegünstigung. widersprüchliches Urteil. Klageänderung. Gemeinschaftspraxis. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Arzneimittelregress. Festsetzung gegen eine Gemeinschaftspraxis nach deren Auflösung
Leitsatz (amtlich)
Ein Regress wegen einer Arzneimittelverordnung durch eine Gemeinschaftspraxis muss auch nach deren Auflösung gegenüber der Gemeinschaftspraxis festgesetzt werden. Ein Verwaltungs- oder Klageverfahren, das die Festsetzung des Regresses gegenüber einem einzelnen Arzt dieser Gemeinschaftspraxis zum Ziel hat, ist unzulässig.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufungen der Berufungskläger zu 1) und 2) wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. November 2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) und 2), die diese selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um einen Regress wegen der Verordnung des zu den Immunglobulinen zählenden, intravenös (i.v.) zu verabreichenden Arzneimittels Polyglobin im Quartal IV/2000.
Der Berufungskläger zu 1) nimmt an der hausärztlichen Versorgung in B teil. In der Zeit vom 1. Juli 2000 bis zum 31. Dezember 2004 führte er mit der Berufungsklägerin zu 2), einer Internistin, eine Gemeinschaftspraxis, die Beigeladene zu 3). Ein Mitglied der Beigeladenen zu 3) verordnete der bei der Klägerin krankenversicherten Patientin H H (im Folgenden: die Versicherte) im Quartal IV/2000 in insgesamt sieben Fällen das Arzneimittel Polyglobin. Mit am 25. Mai 2001 eingegangen Schreiben, das als Betreff die Beigeladene zu 3) nannte, stellte die BKK Berlin, eine Rechtsvorgängerin der Klägerin, einen “Antrag auf Feststellung eines ... Schadens gemäß § 14 der Prüfvereinbarung vom 10.01.1994„ wegen der Verordnung von Polyglobin in den Quartalen I/2000 und IV/2000. Mit an die Beigeladene zu 3) gerichtetem Bescheid vom 27. September 2001 setzte der Prüfungsausschuss “gemäß § 14 der Prüfvereinbarung„ einen “Regress für die Verordnung von Polyglobin in Höhe von insgesamt DM 36.821,34 fest„. Auf den Widerspruch der Beigeladenen zu 3) reduzierte der Beklagte mit dem ebenfalls an diese gerichteten Bescheid vom 25. März 2003, der BKK Berlin nach eigenen Angaben am 27. Mai 2003 zugestellt, die Schadensersatzverpflichtungen auf 15.162,56 DM (7.752,49 Euro) und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, Polyglobin sei im Quartal IV/2000 indikationsgerecht, im Quartal I/2000 hingegen nicht indikationsgerecht verordnet worden.
Hiergegen richtete sich die am 23. Juni 2003 erhobene Klage. Die Klageschrift enthielt weder einen Klageantrag noch eine -begründung. Mit am 20. August 2003 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz beantragte die BKK Berlin, den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 25. März 2003 aufzuheben und eine Schadensersatzverpflichtung gegenüber dem Berufungskläger zu 1) in Höhe von 18.826,45 Euro festzusetzen.
Der Beklagte und die vom Sozialgericht durch den Beschluss vom 27. August 2004 sowie den Änderungsbeschluss vom 26. August 2005 beigeladene Gemeinschaftspraxis [Beigeladene zu 3)], für die sich unter Vorlage einer mit dem Arztstempel dieser Beigeladenen versehenen Vollmacht die heutigen Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers zu 1) meldete, haben den angegriffenen Bescheid verteidigt.
Mit Urteil vom 1. November 2006 hat das Sozialgericht Berlin entsprechend dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellten Klageantrag den Bescheid des Beklagten vom 25. März 2003 aufgehoben, soweit für das Quartal IV aus 2000 die indikationsgerechte Verordnung festgestellt worden ist, und den Beklagten verurteilt, eine Schadensersatz-verpflichtung gegenüber dem Berufungskläger zu 1) und der Berufungsklägerin zu 2) in Höhe von 11.073,96 Euro festzusetzen. Im Rubrum des schriftlichen Urteils - noch nicht in der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 1. November 2006 - werden erstmals der Berufungskläger zu 1) als Beigeladener zu 3) und die Berufungsklägerin zu 2) als Beigeladene zu 4) aufgeführt. Wegen der Urteilsbegründung wird auf Blatt 157 bis 163 der Gerichtsakte verwiesen.
Gegen dieses den heutigen Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers zu 1) am 18. April 2007 zugestellte Urteil hat der Berufungskläger zu 1) am 14. Mai 2007 und die Berufungsklägerin zu 2) am 30. Mai 2007 Berufung eingelegt. Die Berufungsklägerin zu 2) ist der Auffassung, ihre Berufung sei fristgerecht eingelegt worden. Da eine Zustellung an sie, die erstinstanzlich nicht durch die Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers zu 1) vertreten worden sei, bislang nicht erfolgt sei, habe auch die Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) noch nicht zu laufen begonnen. Im Übrigen sei eine gegen sie gerichtete Schadensersatzforderung in jeder Hinsicht rechtswidrig. Zu Unrecht sei sie durch das Urteil des Sozialgerichts beschwert, da de...