Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Beschäftigungsverhältnis als Film- und Videoeditorin. Abgrenzung Dienst-/Werkvertrag. Eingliederung in fremde Betriebsorganisation
Leitsatz (amtlich)
1. Es spricht für eine Beschäftigung, wenn eine Auftragnehmerin nicht nur ihre Tätigkeit stets in den Räumen der Auftraggeberin ausübt, sondern auch die geschuldete Leistung in der tatsächlich durchgeführten Art und Weise nicht ohne die von der Auftraggeberin zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel erbringen kann.
2. Die einer Auftragnehmerin eingeräumte freie Zeiteinteilung spricht nur bedingt für eine selbständige Tätigkeit, wenn ihre Grenzen einseitig von den Interessen der Auftraggeberin bzw deren Vertragspartnern bestimmt werden (vgl BSG vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R = BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25).
3. Eine Vergütung nach Zeiteinheiten spricht in der Regel gegen ein unternehmerisches Risiko. Dies gilt umso mehr, wenn keine Möglichkeit besteht, durch schnellere oder effektivere Leistungserbringung eine höhere Vergütung zu erzielen.
4. Dass sich die Klägerin auf eigene Kosten fortbildet, ist kein Indiz für eine selbständige Tätigkeit. Denn auch ein Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die Kosten für die Weiter-/Fortbildung seiner Arbeitnehmer zu tragen.
5. Dass eine Auftragnehmerin neben der zu beurteilenden Tätigkeit auch anderweitig beruflich aktiv ist, ist für die Statusprüfung unerheblich. Wie § 8 Abs 2 und 3 SGB IV belegen, geht der Gesetzgeber davon aus, dass mehrere Beschäftigungen und/oder selbständige Tätigkeiten parallel ausgeübt werden können.
6. Gesichtspunkte der Kunst- oder Rundfunkfreiheit gebieten keinerlei Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen für die Statuseinstufung als Beschäftigter; weder die künstlerische Freiheit der Mitwirkenden noch ein möglicher Schutz bei der Herstellung von Kunstwerken, Rundfunksendungen oder Film(beiträg)en nach Art 5 Abs 1 S 2 sowie Abs 3 GG (Film- bzw Kunstfreiheit) stehen dem entgegen (vgl BSG vom 27.4.2016 - B 12 KR 16/14 R = Die Beiträge Beilage 2016, 348).
7. Der Begriff "freie Mitarbeit" ist kennzeichnend für das Dienstvertragsrecht, dem Werkvertragsrecht hingegen ebenso fremd wie die Vereinbarung einer Vertragsdauer.
8. Zur Tätigkeit einer Film- und Videoeditorin.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Oktober 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht der Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit als Editorin für die Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 24. Juni bis 16. Juli 2009.
Die Beigeladene zu 1) betreibt ein Unternehmen, dessen Gegenstand - ausweislich der Eintragungen im Handelsregister - u.a. die “Produktion, Herstellung und Ausstrahlung von Rundfunkprogrammen„ ist. Sie produziert für den Sender V die dort seit 2006 ausgestrahlte dokumentarische Koch-Show “D„, bei der fünf Hobbyköche zum Koch-Wettbewerb gegeneinander antreten. Jede der regelmäßig von Montag bis Freitag ausgestrahlten Sendungen dauert 45 Minuten. An jedem Tag der Woche ist einer der fünf Kandidaten Gastgeber für die anderen, die seine Kochleistungen mit Punkten bewerten. Für jeden Kochtag der fünf Kandidaten ist je eine Sendung eingeplant. Ein Dreh - mit drei Kamerateams (zwei Kameras) - dauert in der Regel von 8.00 Uhr morgens bis ca. Mitternacht. Nach der Darstellung des Senders (http://www.vhtml, recherchiert am 8. Juni 2017) lernen die Zuschauer “zu Beginn jeder Folge […] zunächst den gastgebenden Hobbykoch näher kennen und besichtigen mit ihm seine Wohnung oder sein Haus. Zeitgleich erfahren seine Gäste mittels einer von ihm selbstgestalteten Einladungskarte die Menüfolge. Der Gastgeber wird begleitet, wie er die Lebensmittel einkauft und die Gerichte zubereitet. Sobald die Tischdekoration fertig ist, kommen auch schon die Gäste und das Perfekte Dinner kann beginnen.„
Die Klägerin schloss mit der Beigeladenen zu 1) am 23. April 2009 einen “Vertrag für freie Mitarbeiter„ (VfM) mit u. a. folgendem Inhalt:
§ 1
Vertragsgegenstand
Die Vertragspartnerin wird bei C als Film- und Videoeditorin tätig.
§ 2
Tätigkeit
Die Vertragspartnerin wird nach gegenseitiger Absprache tätig. C wird der Vertragspartnerin die Übernahme einer Aufgabe jeweils anbieten, und die Vertragspartnerin wird mitteilen, ob sie die Aufgabe übernimmt. Die Vertragspartnerin ist zur Übernahme der Aufgabe nicht verpflichtet.
Die Vertragspartnerin bestimmt Ort und Zeit der Aufgabenerledigung selbst. Die Vertragspartnerin wird auf die sich aus der Aufgabenwahrnehmung ergebenden Belange von C angemessen Rücksicht nehmen. Sie verpflichtet sich insbesondere, übernommene Arbeiten innerhalb der jeweils vereinbaren Zeit zu erledigen. Die Pflicht oder das Recht zur Erbringung eines bestimmten Mindestumfangs an Tätigkeiten besteht nicht; der Tätigkeitsumfang wird nach gegenseitiger Absprache bestimmt.
§ 3
Honorar
Die Vertragspartnerin erhält zur...