Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage. Asylbewerberleistung. unbefristete Bewilligung von Grundleistungen. anschließende Feststellung einer Anspruchseinschränkung. Erforderlichkeit einer Aufhebung der Leistungsbewilligung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Auslegung eines Bescheids über die Bewilligung von Grundleistungen nach dem AsylbLG.
2. Der einstweilige Rechtsschutz richtet sich nach § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG, wenn die Verwaltung zunächst ungekürzte Grundleistungen nach § 3 AsylbLG unbefristet bewilligt hat und anschließend eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs 4 S 2 AsylbLG feststellt.
3. Hat die Verwaltung zunächst ungekürzte Grundleistungen nach § 3 AsylbLG auf Dauer bewilligt, so ist neben der Feststellung einer Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs 4 S 2 AsylbLG eine kassatorische Entscheidung der entgegenstehenden Bewilligung nach Maßgabe der §§ 9 Abs 4 AsylbLG, 44 ff SGB X erforderlich.
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 16. Mai 2019 aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung der Klagen S 9 AY 1612/19 gegen den Bescheid vom 20. Februar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. April 2019 wird angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Instanzen.
Der Antragstellerin Ziff. 1 wird für das Beschwerdeverfahren L 7 AY 1783/19 ER ab 25. Mai 2019 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt und Rechtsanwalt B., E., beigeordnet. Die Anträge der Antragsteller Ziff. 2 bis 4 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.
Gründe
Die nach §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässigen Beschwerden der Antragsteller haben in der Sache Erfolg.
1. Gegenstand des am 25. Februar 2019 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) anhängig gemachten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist in der Sache das Begehren der Antragsteller auf vorläufige Gewährung von ungekürzten Grundleistungen nach § 3 Abs. 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Form von Geldleistungen für die Zeit vom 1. März 2019 bis zum 31. August 2019, nachdem der Antragsgegner zunächst durch Bescheid vom 31. Oktober 2018 den Antragstellern ab November 2018 Grundleistungen in Höhe von insgesamt 1.067,47€ (Antragstellerin Ziff. 1 320,23 €, Antragsteller Ziff. 2 und 3 je 258,84 €, Antragsteller Ziff. 4 229,56 €) bewilligt und sodann durch Bescheid vom 20. Februar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. April 2019 (Gegenstand des beim SG anhängigen Klageverfahrens S 9 AY 1612/19) für die Zeit vom 1. März 2019 bis zum 31. August 2019 eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG verfügt und für diesen Zeitraum die Leistungen lediglich mit insgesamt 544,06 € (Antragstellerin Ziff. 1 151,11 €, Antragsteller Ziff. 2 und 3 je 141,56 €, Antragsteller Ziff. 4 109,83 €) beziffert hatte. Dabei entnimmt der Senat dem Bescheid vom 31. Oktober 2018 für die Zeit ab 1. November 2018 eine unbefristete Bewilligung der dort bezifferten Leistungen bis auf Weiteres. Denn ausweislich des eindeutigen Verfügungssatzes Ziff. 1 hat der Beklagte aus Sicht des Adressaten eine unbefristete Bewilligung der Leistungen in festgesetzter Höhe ausgesprochen (vgl. Bundessozialgericht ≪BSG≫, Urteil vom 9. Dezember 2008 - B 8/9b SO 11/07 R - juris Rdnr. 12; Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - juris Rdnr. 11 -; Urteil vom 8. Februar 2007 - B 9b AY 1/06 R - BSGE 98, 116 - juris Rdnr. 12; Senatsbeschluss vom 22. Februar 2018 - L 7 AY 4629/17 ER-B - ≪n.v.≫; Landessozialgericht ≪LSG≫ Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 21. Juni 2018 - L 9 AY 1/18 B ER - juris Rdnrn. 32 ff.; Bayerisches LSG, Beschluss vom 11. November 2016 - L 8 AY 28/16 B ER - juris Rdnr. 21). Ein anderes Ergebnis folgt nicht aus den im Anschluss an die Begründung des Bewilligungsbescheids erteilten Hinweisen zu “Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten„. Zwar hat der Antragsgegner unter der Überschrift “Wichtige Hinweise zu Ihren Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten„ u.a. auf Folgendes hingewiesen: “Die bewilligte Leistung wird zunächst nur für den gegebenenfalls anteiligen Monat des Beginns der Hilfe bzw. des Eintritts der genannten Änderung und zudem unter dem Vorbehalt gewährt, dass sich die von Ihnen angegebenen Verhältnisse nicht ändern bzw. den Tatsachen entsprechen. Tritt eine Änderung nicht ein, erfolgt (ohne Antrag) aufgrund stillschweigender monatlicher Neubewilligung die Weiterzahlung der Leistung in der in diesem Bescheid angegebenen Höhe. Ändern sich die Verhältnisse und Anspruchsgrundlagen, entfällt ab diesem Zeitpunkt der Rechtsanspruch auf bereits zuerkannte oder gezahlte Leistungen. Zahlungen, die über diesen Zeitpunkt gewährt werden, erfolgen ohne Rechtsanspruch und sind zu erstatten.„ Jedoch sind diese Hinweise irreführend und nicht geeignet, die im Verfügungssatz Ziff. 1 getroffene klare und unmissverständliche Regelung, nämlich, dass d...