Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit für die Gewährung von Asyl. Erlangung einer Aufenthaltsgestattung bei Zurückweisung des Asylantrags. Unzulässigkeit des Asylantrages infolge Unzuständigkeit. Abschiebehaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wenn ein Ausländer aus einem sicheren Drittstaat nach Deutschland einreist und in Deutschland einen Asylantrag stellt, richtet sich die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Asylgewährung nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II).

2. Auch wenn Deutschland nicht für die Entscheidung über diesen im Inland gestellten Asylantrag zuständig ist und der Antrag deshalb gemäß § 27 a AsylvfG zurückzuweisen ist, erlangt der Ausländer mit der Antragstellung zunächst eine Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 S. 3 AsylVfG.

3. Die Aufenthaltsgestattung erlischt erst, wenn dem Asylantragsteller der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zugestellt wird, durch den die Unzulässigkeit des Asylantrags festgestellt und die Abschiebung angeordnet wird.

4. Die vor der Zustellung der Abschiebungsanordnung beschlossene Abschiebungshaft ist rechtswidrig.

 

Normenkette

EGV 343/2003 (Dublin II); AsylVfG §§ 26a, 27a, 31 Abs. 1 S. 4, §§ 34a, 55 Abs. 1 S. 3, § 67 Abs. 1 Nr. 5; AufenthG § 62 Abs. 2 S. 2; FEVG § 16

 

Verfahrensgang

AG Lebach (Beschluss vom 12.09.2008; Aktenzeichen 5 XIV 1957 B)

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Abschiebehaft durch den Beschluss des Amtsgerichts Lebach vom 12.09.2008 – Az. 5 XIV 1957 B – rechtswidrig war.

2. Dem Saarland werden die Auslagen des Betroffenen sowohl in dem erstinstanzlichen Verfahren als auch in dem Beschwerdeverfahren auferlegt, soweit sie zur zweckentsprechenden Aktenverfolgung notwendig waren.

 

Tatbestand

A.

Das Landesverwaltungsamt des Saarlandes als zuständige zentrale Ausländerbehörde hat durch Schreiben vom 12.09.2008 bei dem Amtsgericht Lebach beantragt, gegen den Betroffenen die Abschiebehaft für die Dauer von zwei Wochen anzuordnen.

Der Betroffene ist am 01.12.2007 von Griechenland aus nach Deutschland eingereist und hat am 13.12.2007 einen Asylantrag gestellt.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat am 28.01.2008 ein Übernahmeersuchen an Griechenland gerichtet. Die griechischen Behörden haben dieses Ersuchen zunächst nicht beantwortet.

Durch Schreiben vom 02.05.2008 (vgl. Bl. 31 d. A.) hat sich Griechenland bereit erklärt, den Betroffenen aufzunehmen.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat durch Bescheid vom 17.04.2008 festgestellt, der Asylantrag des Betroffenen vom 13.12.2007 sei unzulässig, weil Griechenland für die Bearbeitung des Asylantrages gem. Art. 18 Abs. 7 Dublin II VO zuständig sei.

Gleichzeitig hat das Bundesamt in diesem Bescheid die Abschiebung des Betroffenen nach Griechenland angeordnet.

Der Bescheid des Bundesamtes vom 17.04.2008 ist dem Betroffenen am 18.09.2008 zugestellt worden.

Auf den Antrag der zentralen Ausländerbehörde hat das Amtsgericht Lebach nach vorheriger persönlicher Anhörung des Betroffenen durch den angefochtenen Beschluss vom 12.09.2008 angeordnet, dass der Betroffene bis vorerst 25.09.2008 in Abschiebehaft zu nehmen ist.

Das Amtsgericht hat die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung angeordnet.

Der Betroffene ist am 18.09.2008 aus der Haft heraus nach Griechenland abgeschoben worden.

Durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 19.09.2008 hat der Betroffene gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lebach vom 12.09.2008 sofortige Beschwerde mit dem Antrag eingelegt,

festzustellen, dass die Anordnung von Abschiebehaft rechtswidrig war.

Der Betroffene weist daraufhin, dass ihm der Bescheid des Bundesamtes vom 17.04.2008 erst am 18.09.2008 zugestellt worden ist.

Er ist der Auffassung, seine Ausreisepflicht sei erst mit der Zustellung des Bescheids des Bundesamtes entstanden.

Die Anordnung der Abschiebehaft sei auch unverhältnismäßig gewesen, da man ihm die Gelegenheit zur freiwilligen Ausreise nach Griechenland habe geben müssen.

Die zentrale Ausländerbehörde verteidigt den angefochtenen Beschluss und weist darauf hin, in dem Haftantrag vom 12.09.2008 sei auf den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 17.04.2008 Bezug genommen worden und dieser Bescheid habe dem Haftantrag beigelegen.

Der Betroffene sei aufgrund des Bescheides vom 17.04.2008 vollziehbar ausreisepflichtig gewesen, so dass die Voraussetzungen für die Anordnung der Abschiebehaft erfüllt gewesen seien.

 

Entscheidungsgründe

B.

I.

Die sofortige Beschwerde des Betroffenen ist gemäß §§ 106 Abs 2 S. 1 AufenthG, 3 S. 3, 7 FEVG, 19, 20, 22 FGG zulässig.

Der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde steht nicht entgegen, dass die Beschwerde erst nach der Haftentlassung und der Abschiebung des Betroffenen nach Griechenland eingelegt worden ist.

Da jede Freiheitsentziehung in schwerwiegender Weise in das Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) eingreift, gebietet Art. 19 Abs. 4 GG ein umfassendes Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung auch...

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