Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitlich unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot bei der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen. Unwirksame Befristung bei zehn Jahre zurückliegender Vorbeschäftigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist zeitlich nicht begrenzt (entgegen BAG, Urteil vom 21. September 2011 - 7 AZR 375/10 -; BAG, Urteil vom 06. April 2011 - 7 AZR 716/09 -).

2. Ein schutzwürdiges Vertrauen in die geänderte Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts zum Vorbeschäftigungsverbot konnte noch nicht entstehen, da es sich nicht um eine langjährige, gefestigte Rechtsprechung handelt.

 

Normenkette

TzBfG § 14 Abs. 2, 2 S. 2, § 16 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Entscheidung vom 30.11.2016; Aktenzeichen 3 Ca 276/16)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 30.11.2016 - 3 Ca 276/16 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als wissenschaftlichen Angestellten weiter zu beschäftigen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung des Arbeitsvertrages.

Der 1969 geborene Kläger war im Anschluss an sein Studium zum Diplom-Physiker drei Jahre lang, d. h. von September 1995 bis August 1998, bei dem Beklagten als Doktorand in B. beschäftigt. Nach einer Unterbrechung von einem Jahr stellte ihn der Beklagte erneut ein und beschäftigte ihn rund viereinhalb Jahre bis zum Februar 2004 als wissenschaftlichen Mitarbeiter in B-Stadt bzw. in G..

Nachdem der Kläger etwa zehn Jahre bei anderen Arbeitgebern tätig war, schlossen die Parteien am 03.07./14.07.2014 einen befristeten Arbeitsvertrag mit einer Laufzeit von zwei Jahren für den Zeitraum 21.07.2014 bis zum 20.07.2016 über eine Vollzeitbeschäftigung am Teilinstitut B-Stadt. Der Beklagte entschied sich für eine sachgrundlose Befristung, da die maximale Befristungsdauer nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz von 12 Jahren aufgrund der anzurechnenden Beschäftigungszeiten von insgesamt 11 Jahren in etwa ausgeschöpft war. Gemäß Arbeitsvertrag richtet sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) sowie weiteren näher bezeichneten Tarifverträgen. Die Vergütung ergibt sich aus der Entgeltgruppe 14 TVöD. Der Kläger übernahm den Arbeitsplatz eines altersbedingt ausgeschiedenen Arbeitnehmers.

Mit Schriftsatz vom 21.07.2016, beim Arbeitsgericht eingegangen am 25.07.2016, hat der Kläger die Befristung gerichtlich angegriffen.

Der Beklagte schrieb die bislang vom Kläger besetzte Stelle unter dem 02.09.2016 erneut aus. Der Beklagte hatte dem Kläger zuvor eine befristete Weiterbeschäftigung für ein weiteres Jahr angeboten, das Angebot aber zurückgezogen, nachdem der Kläger seine Annahme unter den Vorbehalt eines nicht bereits unbefristet entstandenen Arbeitsverhältnisses gestellt hatte.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, die Befristung sei unwirksam, weil er die Arbeit in Kenntnis des Beklagten schon vor dem offiziellen Arbeitsbeginn aufgenommen, nämlich bereits ab dem 07.07.2014 gearbeitet habe. Insbesondere habe er Langmuir-Sonden geprüft. Am 08.07.2014 sei sein früherer Systemzugang reaktiviert worden. Am 09. und 10.07.2014 habe er wiederum Sonden im Diagnostikbereich geprüft. Er habe in den darauffolgenden Tagen an verschiedenen Besprechungen teilgenommen sowie Schaltschrankkomponenten getestet. Der Bereichsleiter, Herr Prof. Dr. S. P., habe von den Tätigkeiten gewusst und die Arbeitsergebnisse verwertet. Dessen Stellvertreter, Herr Dr. K., sei ebenfalls vollständig informiert gewesen. Auch Prof. Dr. K., der Mitglied des Direktoriums sei, habe den Kläger vor Vertragsbeginn mehrfach im Institut angetroffen und mit ihm über seine Tätigkeit gesprochen, ohne einen Widerspruch hiergegen zu erheben. Den Arbeitsvertrag und das dazugehörige Anschreiben habe der Kläger erst am 14.07.2014 erhalten und sogleich unterzeichnet.

Darüber hinaus sei die sachgrundlose Befristung unzulässig, weil mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Soweit das Bundesarbeitsgericht entgegen seiner früheren Rechtsprechung das Vorbeschäftigungsverbot nunmehr auf drei Jahre begrenzt habe, sei das weder mit dem Wortlaut der Vorschrift noch mit dem gesetzgeberischen Willen vereinbar. Der Gesetzgeber habe eine solche Grenze trotz entsprechender Anregungen gerade nicht eingeführt. Ein evtl. Vertrauen der Beklagten in die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei nicht schutzwürdig, da die Rechtsprechungsänderung im arbeitsrechtlichen Schrifttum nachhaltig und massiv kritisiert worden sei, sodass sie nicht als gesichert habe angesehen werden können.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der im Arbeitsvertrag vom 03.07./14.07.2014 vereinbarten Bef...

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