Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung wegen Abbaus einer Hierarchieebene und Neuverteilung der Aufgaben
Leitsatz (amtlich)
Den Arbeitgeber trifft eine höhere Darlegungslast, wenn die unternehmerische Entscheidung den Abbau einer Hierarchieebene mit der Neuverteilung der Aufgaben auf andere Arbeitnehmer zur Folge hat und die Entscheidung zur Kündigung eines Stelleninhabers führt.
Normenkette
KSchG § 1; BetrVG § 102
Verfahrensgang
ArbG Schwerin (Entscheidung vom 18.08.2016; Aktenzeichen 5 Ca 1844/15) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 20.06.2016 - 5 Ca 1844/15 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wehrt sich gegen zwei von der Insolvenzschuldnerin betriebsbedingt ausgesprochene Kündigungen vom 27.10.2015 und 27.04.2016.
Der 1958 geborene Kläger ist bei der Insolvenzschuldnerin beziehungsweise deren Rechtsvorgängern seit dem 01.09.1974 zu einem Bruttogehalt von zuletzt € 8.109,00 als Fertigungsleiter beschäftigt gewesen.
Nach einer technischen Lehrausbildung bildete er sich zum Maschinenbau-Ingenieur fort. Seit 2002 war er als Bereichsleiter rotationssymmetrische Fertigung und dabei auch mit kaufmännischen Aufgaben beschäftigt. Später erhielt der Kläger auch die Produktions- oder Bereichsleitung für die prismatische Fertigung, ohne dass Arbeitsvertrag oder Entgelt geändert wurden. Zuletzt war er kurzzeitig ergänzend auch für den Vertrieb bzw. Customer-Service zuständig.
Mit dem Kläger am 27.10.2015 zugegangenem Schreiben kündigte die Insolvenzschuldnerin das Beschäftigungsverhältnis ordentlich unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 31.05.2016. Zuvor hatte sie den Betriebsrat mit Schreiben vom 19.10.2015 (Bl. 58f. d. A.) zu der beabsichtigten Kündigung angehört. In der Anhörung hatte sie Zweifel an der Zuständigkeit des Betriebsrats geäußert, da der Kläger nach ihrer Auffassung als leitender Angestellter einzuordnen sei. Der Betriebsrat erklärte, keine Stellungnahme abgeben zu wollen.
Mit dem Kläger am 28.04.2016 zugegangenem Schreiben vom 27.04.2016 hat die Insolvenzschuldnerin das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut, nun zum 30.11.2016, gekündigt.
Mit am 06.11.2015 beim Arbeitsgericht Schwerin eingegangener Klage und am 11.05.2016 eingegangener Klageerweiterung hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigungen geltend gemacht und die Weiterbeschäftigung begehrt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis mangels eines Kündigungsgrundes nicht beendet habe. Die von der Beklagten vorgetragenen Kündigungsgründe seien zu unpräzise. Die von der Insolvenzschuldnerin behauptete unternehmerische Entscheidung habe nur das Ziel gehabt, ihn aus dem Unternehmen zu entfernen. Auch er hätte die Aufgaben des neu eingeführten Supply-Chain-Managers erfüllen können. Gleiches gelte für die Aufgaben eines Vertriebsleiters. Außerdem sei nicht dargelegt, wie die verbleibenden Mitarbeiter auf Meisterebene seine Aufgaben ohne überobligationsmäßige Leistungen hätten erfüllen können. Schließlich sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden. Dem Betriebsrat sei fälschlicherweise mitgeteilt worden, dass der Kläger leitender Angestellter sei. Dadurch sei der Betriebsrat beeinflusst worden. Auch sei die Sozialauswahl fehlerhaft gewesen, da der Leiter Qualitätsmanagement, Herr K., sozial weniger schutzbedürftig sei. Der Kläger habe sich in dessen Tätigkeit leicht einarbeiten können.
Die Beklagte hat zu der unternehmerischen Entscheidung, die Stelle des Fertigungsleiters zu streichen und zu der Umsetzung derselben vorgetragen. Diese Entscheidung habe zu einer erheblich größeren Selbstverantwortung auf der Meisterebene geführt, ohne dass es gleichzeitig zu einer überobligationsmäßigen Mehrbelastung gekommen wäre. Für verbleibende technische Fragen sei der technische Geschäftsführer zuständig. Herr K. sei nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen, da auf einer anderen Ebene befindlich. Der Kläger könne die Aufgaben eines Supply-Chain-Managers oder eines Vertriebsleiters nicht übernehmen, da dies jeweils Aufgaben seien, die eine kaufmännische Ausbildung und eine dementsprechende mehrjährige Erfahrung voraussetzen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Beweiserhebung zur unternehmerischen Entscheidung durch Anhörung des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin (vgl. Bl. 147f., Bl. 276f. d. A.) abgewiesen, da es die Kündigung als sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG angesehen hat. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, dass dringende betriebliche Gründe für die Kündigung des Klägers vorgelegen hätten. Der Arbeitsplatz des Klägers als Produktionsleiter sei auf Grund einer unternehmerischen Entscheidung entfallen. Andere Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger hätten nicht bestanden. Der Kläger sei auch nicht sozial schützenswerter als andere Mitarbeiter. Schließlich sei die K...