Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des freien zu besetzenden Arbeitsplatzes i.S. von § 9 TzBfG. Anspruch eines Arbeitnehmers auf Aufstockung der Arbeitszeit bei Besetzung eines Stamm- oder Dauerarbeitsplatzes mit einem Leiharbeitnehmer
Leitsatz (amtlich)
Ein Stamm- oder Dauerarbeitsplatz, auf dem ständig ein Leiharbeitnehmer eingesetzt wird, ist ein freier zu besetzender Arbeitsplatz im Sinne des § 9 TzBfG.
Normenkette
TzBfG § 9
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 25.07.2013; Aktenzeichen 4 Ca 907/13) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 25. Juli 2013 (4 Ca 907/13) abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot der Klägerin auf Erhöhung der Arbeitszeit auf wöchentlich 37 Stunden bei entsprechender Mehrvergütung mit Wirkung ab 1. Januar 2013 anzunehmen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Aufstockung der Arbeitszeit gemäß § 9 TzBfG.
Die 1960 geborene Klägerin ist seit dem 26. Mai 2000 bei der Beklagten als Arbeiterin tätig. Bis zum 14. Mai 2012 betrug die regelmäßige Arbeitszeit 37 Wochenstunden zu einem Bruttostundenlohn von 8,23 Euro. Mit Wirkung ab dem 15. Mai 2012 vereinbarten die Parteien eine Reduzierung der Arbeitszeit, um bei gleichem Stundenlohn eine Vergütung von maximal 400,00 Euro zu erreichen, wegen der Einzelheiten des "Arbeitsvertrag für geringfügig Beschäftigte" vom 11. Mai 2012 wird auf die Anlage zur Klageschrift (Bl. 12 f. d. A.) verwiesen. Im Dezember 2012 bat die Klägerin die Beklagte, ab Januar 2013 wieder in Vollzeit beschäftigt zu werden. Die Beklagte lehnte dies im Januar 2013 ab. Die Klägerin wiederholte ihre Bitte mit Schreiben der jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 5. März 2013. Die Beklagte ließ durch ihre Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 12. März 2013 das Ansinnen zurückweisen.
Die Beklagte beschäftigt regelmäßig Leiharbeitnehmer. Zu diesem Zweck arbeitet sie unter anderem mit der Firma B zusammen, die im Betrieb ein sogenanntes On-Site-Büro unterhält. Die Leiharbeitnehmer sind zum Teil seit sechs Jahren im Betrieb tätig. In einer Abteilung, in der Teile geklebt werden, wurde ein dauerhaft eingesetzter Leiharbeitnehmer zum 13. Juni 2013 ausgetauscht.
Mit ihrer am 5. April 2013 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Aufstockung ihrer Arbeitszeit ab dem 1. Januar 2013. Sie hat die Auffassung vertreten, die mit Leiharbeitnehmern besetzten Arbeitsplätze seien als freie Arbeitsplätze anzusehen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr Angebot auf Erhöhung ihrer vertraglichen Arbeitszeit auf wöchentlich 37 Stunden bei entsprechender Mehrvergütung anzunehmen und zwar mit Wirkung ab dem 1. Januar 2013.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, mit Leiharbeitnehmern besetzte Arbeitsplätze seien keine freien Arbeitsplätze. Andere freie Arbeitsplätze seien im Betrieb nicht vorhanden. Im Übrigen werde die Zahl der Leiharbeitnehmer wegen der wirtschaftlichen Situation reduziert.
Das Arbeitsgericht hat unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagte verurteilt, das Angebot der Klägerin auf Erhöhung ihrer vertraglichen Arbeitszeit mit Wirkung ab 13. Juni 2013 anzunehmen. Zur Begründung hat es ausgeführt, an diesem Tag sei ein freier Arbeitsplatz besetzt worden, in dem ein Leiharbeitnehmer ausgetauscht wurde. Bei dieser Besetzung hätte die Klägerin gemäß § 9 TzBfG bevorzugt berücksichtigt werden müssen. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Seite 3 bis 6 des Urteils, Bl. 63 bis 66 d. A.) verwiesen.
Das Urteil wurde der Beklagten am 13. August 2013 zugestellt. Hiergegen richtet sich ihre am 30. August 2013 eingelegte und mit dem am 10. Oktober 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung. Der Klägerin wurde das Urteil am 19. August 2013 zugestellt. Sie hat hiergegen am 16. September Berufung eingelegt, welche sie mit dem nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16. Dezember 2013 mit dem am 19. November 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass das Arbeitsgericht bei der Beurteilung der Frage, ob der mit einem Leiharbeitnehmer neu besetzte Arbeitsplatz "frei" im Sinne des § 9 TzBfG sei, zu Unrecht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsrecht im Kündigungsschutzrecht heranziehe. Die Frage der Berechtigung einer betriebsbedingten Kündigung sei indes völlig anders gelagert als die Frage, ob der Arbeitgeber verpflichtet sei, das Angebot eines Mitarbeiters auf Ausweitung seiner Arbeitszeit anzunehmen. Vielmehr sei entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 9 TzBfG der Arbeitgeber nur dann zu dessen Anwendung verpflichtet, wenn er sich dazu entschließe, einen aktuell freien Arbeitsplatz tatsächlich zu besetzen. Die Bekl...