Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Auslegung einer einzelvertraglichen Vereinbarung, die auf einen wegen bevorstehender Insolvenz gekündigten Restrukturierungstarifvertrag Bezug nimmt
Leitsatz (redaktionell)
Mit der Kündigung eines Restrukturierungsvertrags wegen drohender Insolvenz entstehen die ursprünglich bestandenen vertraglichen Vergütungsansprüche der Mitarbeiter neu und sind als Insolvenzforderungen zu berichtigen.
Normenkette
InsO §§ 179, 182; BGB § 159
Verfahrensgang
ArbG Herford (Urteil vom 16.11.2007; Aktenzeichen 1 Ca 961/07) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 16.11.2007 – 1 Ca 961/07 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 945,00 EUR festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht eine Insolvenzforderung des Klägers in Höhe von 9.450,– EUR festgestellt. Auf die überzeugende Begründung des Arbeitsgerichts wird Bezug genommen. Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufung bleiben erfolglos.
1. Dem Beklagten ist zunächst darin zu folgen, dass der Kläger als außertariflicher Angestellter vom Geltungsbereich des Restrukturierungstarifvertrages vom 30.11.2002 nicht erfasst wird. Mit der Vereinbarung vom 22.11.2002 sollte aber die Gleichstellung des Klägers mit den tarifgebundenen Mitarbeitern erreicht werden. Die Geschäftsleitung der Insolvenzschuldnerin hatte sich nämlich gemäß § 5 des Restrukturierungsvertrages verpflichtet, zur Senkung der Personalkosten einen vergleichbaren Beitrag der leitenden Angestellten sicherzustellen. Deshalb wird in der Vereinbarung vom 22.11.2002 ausdrücklich auf die wirtschaftliche Lage des K1-K2 und auf erforderliche Maßnahmen bei den Personalkosten hingewiesen. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den von den Mitarbeitern aufgrund des Restrukturierungsvertrages vom 13.11.2002 zu leistenden Gehalts- und Lohnverzicht unter anderem beim Weihnachts- und Urlaubsgeld wurde vereinbart, dass der Kläger für die Monate November 2002 bis einschließlich Oktober 2003 auf 15 % seiner arbeitsvertraglich zu zahlenden Vergütung verzichtet. Ähnlich wie bei einem Besserungsschein (vgl. dazu LAG Hamm 25.01.2005, 4 Sa 2419/04 JURIS; BGH 13.06.1984, IVa ZR 196/82 NJW 1984, 2762) hat die Insolvenzschuldnerin dem Kläger als Gegenleistung in Aussicht gestellt, ihn am wirtschaftlichen Erfolg des Restrukturierungsprogramms in Form einer Prämie zu beteiligen. In gleicher Weise ist auch in § 6 des Restrukturierungsvertrages als Belohnung für den von den Mitarbeitern geleisteten Verzicht eine von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens abhängige Prämie geregelt. Insoweit sind die tariflichen Regelungen in der Vereinbarung vom 22.11.2002 nicht kongruent in Bezug genommen worden.
2. Da die Vertragsparteien aber im Übrigen uneingeschränkt die Geltung des Restrukturierungstarifvertrages vereinbart haben, sind die ursprünglich bestandenen vertraglichen Vergütungsansprüche des Klägers aus dem Zeitraum November 2002 bis einschließlich Juli 2003 wiederaufgelebt und als Insolvenzforderungen zu berichtigen. Nach Wortlaut, Sinn und Zweck und Gesamtzusammenhang ist der letzte Satz in § 6 RTV in dem Sinn zu verstehen, dass diejenigen Ansprüche, auf die die Arbeitnehmer bedingungslos verzichtet haben, im Falle der Kündigung des RTV wegen drohender Insolvenz wiederaufleben. Schon der Wortlaut erschließt unmittelbar die Bedeutung dieser Regelung: Die ursprünglich bestandenen Ansprüche sollen neu entstehen und unmittelbar fällig werden. Damit ist nicht bloß gemeint, dass der Verzicht nur für die Zukunft hinfällig wird und die in den §§ 2 bis 4 des RTV genannten Ansprüche wieder in vollem Umfang zum Tragen kommen. Insbesondere die sofortige Fälligkeit macht nur Sinn, wenn es um diejenigen Ansprüche geht, auf die die Arbeitnehmer verzichtet haben. Es kann daher nicht zweifelhaft sein, dass ein unbedingter Forderungsverzicht mit auflösend bedingtem Wiederaufleben der Altverpflichtung vorliegt. Deshalb ist die Vereinbarung vom 22.11.2002 so zu verstehen, dass diejenigen Ansprüche, auf die der Kläger verzichtet hatte, nämlich die Herabsetzung seiner Vergütung um 1.050,– EUR monatlich, bei Kündigung des Restrukturierungsvertrages wegen drohender Insolvenz, neu entstehen, d. h. wiederaufleben. Die Inbezugnahme des RTV hat nicht lediglich die Bedeutung, dass der Kläger mit der Kündigung des Restrukturierungsvertrages zukünftig wieder seine vertraglich vereinbarte Vergütung in vollem Umfang erhalten sollte. Wenn dies gewollt gewesen wäre, hätte es der Regelung im letzten Satz in § 6 des Restrukturierungstarifvertrages vom 13.11.2002 nicht bedurft, denn im Falle einer Kündigung des Tarifvertrages wäre der Verzicht ohnehin hinfällig geworden, weil gemäß § 9 RTV keine Nachwirkung vereinbart worden ist. Mit der Kündigung des Restrukturieru...