Leitsatz (amtlich)
1. Begehrt der Antragsteller die Unterlassung einer Werbung unter Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform ("wenn dies geschieht wie nachfolgend wiedergegeben...") und stellt er dem eine der konkreten Verletzungsform wörtlich entnommene (aus mehreren Aspekten bestehende) Formulierung dessen, was unterlassen werden soll, voran, überlässt er es grundsätzlich dem von ihm im Erkenntnisverfahren angerufenen Gericht, zu bestimmen, auf welchen genannten Aspekt das Unterlassungsgebot gestützt wird (Fortführung von Senat, Beschluss vom 15.10.2020 - 5 W 1100/20 -).
2. Das Charakteristische der konkreten Verletzungsform, das für die Bestimmung des Kerns der verbotenen Handlung maßgeblich ist, ist auf dasjenige beschränkt, was bereits Prüfungsgegenstand im Erkenntnisverfahren war. Stützt das Gericht im Erkenntnisverfahren ein Verbot aber nicht auf einen bestimmten Umstand, darf die Auslegung des Titels in der Regel nicht dazu führen, dass er sich gleichwohl auf die Untersagung gerade dieses Aspekts erstreckt.
Normenkette
ZPO § 890
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 102 O 2/20) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 29.09.2020 - 102 O 2/20 - wird auf Kosten der Gläubigerin zurückgewiesen.
2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat keinen Erfolg.
A. Hinsichtlich des Sachverhalts wird zunächst auf die Darstellung im angefochtenen Beschluss des Landgerichts vom 29.09.2020 Bezug genommen. Mit diesem Beschluss hat das Landgericht den Antrag der Gläubigerin zurückgewiesen, wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Verbot in Ziff. 1a) des im Wege der einstweiligen Verfügung ergangenen Urteils vom 03.03.2020 - 102 O 2/20 - ein Ordnungsgeld in Höhe von mindestens 5.000,00 Euro festzusetzen; ein Verstoß gegen den Titel liege nicht vor.
Gegen diesen ihr am 07.10.2020 zugestellten Beschluss wendet sich die Gläubigerin mit der sofortigen Beschwerde vom 21.10.2020 (Bl. II 73 d. A.), die am gleichen Tage beim Landgericht eingegangen ist, und die sie mit Schriftsatz vom 28.10.2020 (Bl. II 77 d. A.) begründet hat. In dem angegriffenen Verhalten liege ein kerngleicher Verstoß gegen den Verbotstitel.
Mit Beschluss vom 03.11.2020 (Bl. II 81) hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Die Schuldnerin verteidigt mit Schriftsatz vom 13.01.2021 den angefochtenen Beschluss.
B. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist gemäß § 793, § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 569 ZPO zulässig, aber nicht begründet.
Ein Verstoß gegen den Verbotstitel liegt nicht vor (vgl. § 890 Abs. 1 S. 1 ZPO).
Das Vollstreckungsgericht hat durch Auslegung des Vollstreckungstitels zu ermitteln, welche Verhaltensweisen dieser erfasst. Die Auslegung hat vom Tenor der zu vollstreckenden Entscheidung auszugehen; soweit erforderlich, sind ergänzend auch der Tatbestand und die Gründe, die Antragsbegründung sowie der weitere Sachvortrag heranzuziehen. Für die Auslegung ist es ohne Bedeutung, welche sachlich-rechtlichen Ansprüche dem Gläubiger zustehen (BGH, Urt. v. 29.09.2016 - I ZB 34/15, GRUR 2017, 208 Rn. 22 - Rückruf von Rescue-Produkten). Das Verbot eines Unterlassungstitels umfasst über die mit der verbotenen Form identischen Handlungen hinaus auch im Kern gleichartige Abwandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt (BGH, Urt. v. 29.09.2016 - I ZB 34/15, GRUR 2017, 208 Rn. 35 - Rückruf von Rescue-Produkten; Senat, Beschl. v. 15.10.2020 - 5 W 1100/20, GRUR-RS 2020, 33999, Rn. 16, 17).
Danach liegt hier ein Verstoß gegen den Titel nicht vor.
I. Dass es sich bei dem angegriffenen Verhalten der Schuldnerin um eine mit der verbotenen Form identische Handlung handelt, macht auch die Gläubigerin zu Recht nicht geltend.
II. Es liegt auch keine im Kern gleichartige Abwandlung vor, in der das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt.
1. Zwar erfasst auch der hiesige Titel grundsätzlich kerngleiche Verstöße.
a) Sofern ein Titel, der auf das Verbot einer konkreten Verletzungshandlung gerichtet ist und der das Charakteristische, den so genannten "Kern" der Verletzungsform zweifelsfrei zum Ausdruck bringt, werden nicht nur die mit der verbotenen konkreten Verletzungsform identischen, sondern auch abgewandelte, aber im Kern gleichartige Handlungsformen erfasst (BGH, Ur. v. 10.12.2009 - I ZR 46/07, BGHZ 183, 309 = GRUR 2010, 253 Rn. 30 - Fischdosendeckel; Urt. v. 19.05.2010 - I ZR 177/07, GRUR 2010, 855 Rn. 17 - Folienrollos).
b) Hier ist das Verbot auf die konkrete Verletzungshandlung begrenzt. Mit einer Formulierung wie "wenn dies in folgender Form geschieht" oder - wie hier - "wenn dies geschieht wie nachfolgend wiedergegeben" - wird üblicherweise zum Ausdruck gebracht wird, dass ein solches Verbot ausgesprochen wird (vgl. BGH, Urt. v. 10.02.2011 - I ZR 183/09, GRUR 2011, 340 Rn. 21 - Irische Butter; Senat, Beschl. v. 19.03.2019 - 5 W 33/19, BeckRS 2019, ...