Leitsatz (amtlich)
Hat der Betroffene gegen ein Verwerfungsurteil (hier: Antrag auf Zulassung der) Rechtsbeschwerde eingelegt und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausdrücklich nur hilfsweise beantragt, so ist die Vorrangregelung des § 342 Abs. 2 StPO dann nicht anwendbar, wenn das Rechtsmittel ohne Verbindung mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingelegt worden ist.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 24.08.2016; Aktenzeichen (300 OWi) 3031 Js-OWi 16582/15 (1510/15)) |
Tenor
1. Auf den Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts wird der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 5. Dezember 2016 aufgehoben.
2. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 24. August 2016 wird zugelassen.
3. Auf die Rechtsbeschwerde wird das vorgenannte Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
4. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Tiergarten zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Polizeipräsident in Berlin hat gegen den Betroffenen durch Bußgeldbescheid vom 2. September 2015 wegen fahrlässigen Parkens im Bereich eines Parkscheinautomaten ohne gültigen Parkschein eine Geldbuße von 10,00 Euro verhängt. Der Betroffene hat hiergegen form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. Nach Abgabe durch die Amtsanwaltschaft Berlin hat das Amtsgericht Tiergarten unter Ladung des Betroffenen Termin zur Hauptverhandlung für den 24. August 2016 anberaumt, woraufhin der Betroffene mit bei Gericht am 18. Juli 2016 eingegangenem Schriftsatz die Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung beantragt hat. Zur Begründung hat er ausgeführt, er werde in der Hauptverhandlung keine Angaben zur Sache tätigen. Über den Entbindungsantrag des Betroffenen hat das Gericht in der Folgezeit nicht entschieden. Nachdem zum Hauptverhandlungstermin weder der Betroffene noch sein Verteidiger erschienen waren, hat das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG mit der Begründung verworfen, der Betroffene sei ohne genügende Entschuldigung der Hauptverhandlung ferngeblieben. Das Urteil hat das Amtsgericht dem Betroffenen am 14. Oktober 2016 zugestellt. Mit beim Amtsgericht am 16. Oktober 2016 eingegangenen Schriftsatz hat der Betroffenen ein als "Rekurs" bezeichneten Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt. Mit unterzeichnetem Verteidigerschriftsatz vom 16. November 2016, eingegangen beim Amtsgericht am 21. November 2016, hat der Betroffene das Rechtsmittel begründet und die Verletzung formellen sowie materiellen Rechts gerügt, wobei er insbesondere auf die Versagung rechtlichen Gehörs abstellt. Er hat in dem Begründungsschriftsatz beantragt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, das angefochtene Urteil mitsamt seinen Feststellungen aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Hilfsweise hat er ferner beantragt, ihm "Wiedereinsetzung in die Versäumung der Hauptverhandlung" zu gewähren. Mit Beschluss vom 5. Dezember 2016 hat das Amtsgericht das als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ausgelegte Rechtsmittel als unzulässig verworfen, weil dieses nicht fristgerecht gemäß § 346 Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 80 Abs. 4 Satz 2, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG begründet worden sei. Nach Zustellung dieses Beschlusses am 23. März 2017 hat der Betroffene mit bei Gericht am 24. März 2017 eingegangenem Verteidigerschriftsatz die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts beantragt.
II.
1. Der Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist gemäß § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO i.V.m. §§ 80 Abs. 4 Satz 2, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG zulässig und auch begründet.
Der Beschluss des Amtsgerichts vom 5. Dezember 2016 ist aufzuheben. Die Begründung des gemäß § 300 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde auszulegenden Rechtsmittels ist sowohl form- als auch fristgerecht erfolgt. Wenn ein Urteil - wie im vorliegenden Fall - schon vor der Einlegung des Rechtsmittels zugestellt wurde, so schließt sich die Rechtsmittelbegründungsfrist an die Einlegungsfrist an (vgl. BGHSt 36, 241; Franke in Löwe-Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 345 Rn. 4). Bei der Berechnung der Begründungsfrist muss in diesen Fällen somit zunächst der Ablauf der einwöchigen Einlegungsfrist (§ 341 Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 80 Abs. 3 Satz 1, 79 Abs. 3 Satz 1 Abs. 4 OWiG) festgestellt werden. Erst mit Ablauf dieser Frist beginnt die Monatsfrist des § 345 Abs. 1 StPO (i.V.m.
§§ 80 Abs. 3 Satz 3, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Die Zustellung des angefochtenen Urteils war vorliegend am 14. Oktober 2016 erfolgt, woraufhin die einwöchige Einlegungsfrist mit Ablauf des 21. Oktober 2016 endete. Mit dem Beginn des auf den Ablauf der Einlegungsfrist folgenden Tages, d.h. am 22. Oktober 2016, begann der Lauf der einmonatigen Begründungfrist. Sie endete mit Ablauf des Tages, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat...