Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilnahme eines Arbeiten an Schiffen ausführenden Unternehmens am Sozialkassenverfahren im Baugewerbe. Begriff des Bauwerks im Sinne des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Arbeiten an Schiffen fallen nach traditionellem Verständnis der beteiligten Branchen grundsätzlich nicht unter die Bautarifverträge.

2. § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2 VTV-Bau kann nicht in der Weise ausgelegt werden, dass Korrosionsschutzarbeiten an Schiffen erfasst werden (Abgrenzung zu BAG 9. April 2014 - 10 AZR 1085/12).

 

Normenkette

VTV § 1 Abs. 2 Abschn. II; VTV § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2; BGB § 204 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 19.10.2017; Aktenzeichen 1 Ca 1096/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.01.2021; Aktenzeichen 10 AZR 384/18)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 19. Oktober 2017 - 1 Ca 1096/16 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zum Sozialkassenverfahren des Baugewerbes.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien Baugewerbe. Auf der Grundlage des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), der in der Vergangenheit regelmäßig für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung von Beiträgen in Höhe von 2.060.124 Euro in Anspruch genommen. Dabei handelt es sich um Mindestbeiträge in Höhe von 2.051.094 Euro für den Zeitraum Dezember 2011 bis November 2012 für 267 gewerbliche Arbeitnehmer sowie um Beiträge für Angestellte für den gleichen Zeitraum in Höhe von 9.030 Euro. Dabei hat sich der Kläger auf die vom Statistischen Bundesamt ermittelten durchschnittlich in der Baubranche gezahlten Löhne gestützt.

Die Beklagte betreibt ein gewerbliches Unternehmen mit Sitz in A. Sie verfügt über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Im Gewerberegister der Stadt A ist sie mit den Tätigkeiten "Korrosionsschutz im maritimen Bereich und ähnliche Gewerke, Holz- und Bautenschutz sowie Bodenschutz, Lieferung und Handel mit Waren aller Art, Im- und Export" angemeldet (Bl. 60 der Akte). Bei der Handwerkskammer B ist sie mit der Tätigkeit "Holz- und Bautenschutzgewerbe" eingetragen (Bl. 62 der Akte). Bezüglich des Internetauftritts der Beklagten wird verwiesen auf die Anlage K3 (Bl. 63 der Akte). Darin wirbt sie unter anderem mit Serviceleistung im Bereich Industrie, Windkraft sowie Marine. In einer Selbstauskunft hat sich die Beklagte zu Ihrer betrieblichen Tätigkeit gegenüber der Urlaubskasse für das Maler- und Lackiererhandwerk am 12. Februar 2012 wie folgt (Bl. 65 der Akte) geäußert:

"...

d. Strahlarbeiten aller Art (Entrostungsarbeiten an Stahl) 5 %

e. Korrosionsschutzbeschichtungen (Entrostung, Reinigung, Spachtelung, Beschichtung) 55 %

...

h. Projektplanung (Auftragsbearbeitung, Angebotserstellung, Finanzwesen, Projektplanung, -beaufsichtigung, Dokumentation, Qualitätskontrolle) 20 %

i. Arbeitnehmerüberlassung (Spachteln und Beschichten) 20 %..."

Am 28. September 2016 fand durch einen Außendienstmitarbeiter des Klägers ein Betriebsbesuch statt.

Zwischen den Parteien ist im Kern unstreitig, dass im Betrieb der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum Schiffe/Yachten entrostet wurden und dabei Sand-, Wasserstrahlgeräte und Hochdruckreiniger zum Einsatz kamen. Ferner waren die Mitarbeiter der Beklagten mit der Herstellung bzw. Bearbeitung von Rotorblättern aus glasfaserverstärktem Kunststoff für Windkraftanlagen beschäftigt, wobei die anschließende Montage an dem Windradturm durch Dritte erfolgte. Daneben fielen auch Entrostungs- und Reinigungsarbeiten an Industrieanlagen (Kraftwerken) an.

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - (NZA Beilage 1/2017, 12 ff.) entschieden, dass die Allgemeinverbindlicherklärung(en) (kurz: AVE) des VTV vom 15. Mai 2008 (BAnz. Nr. 104a 15. Juli 2008) sowie vom 25. Juni 2010 (BAnz. Nr. 97 2. Juli 2010) unwirksam sind. Mit einem weiteren Beschluss vom gleichen Tag (10 ABR 48/15,AP Nr. 36 zu § 5 TVG) hat es entschieden, dass die AVE vom 17. März 2014 (BAnz. AT 19. März 2014 B1) unwirksam ist. Mit Beschlüssen vom 25. Januar 2017 - 10 ABR 43/15 - sowie 10 ABR 34/15 - hat das Bundesarbeitsgericht ferner entschieden, dass die AVE vom 3. Mai 2012 (BAnz. AT 22. Mai 2012 B4) und vom 29. Mai 2013 (BAnz. AT 7. Juni 2013 B5) unwirksam sind.

Daraufhin ist ein Gesetzgebungsverfahren zur Stützung des Sozialkassenverfahrens im Baugewerbe initiiert worden. Das Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (kurz: SokaSiG) ist am 25. Mai 2017 in Kraft getreten.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass der betriebliche Geltungsbereich eröffnet sei. Er hat die Behauptung aufgestellt, die gewerblichen Arbeitnehmer hätten jeweils zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Arbeitszeit in den Zeitraum 2011 und 2012 die folgenden Arbe...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge