Entscheidungsstichwort (Thema)

Anpassung der Betriebsrente nach billigem Ermessen. Anpassung der Betriebsrente an Kaufkraftverlust. Wirtschaftliche Lage des Unternehmens als Anknüpfungspunkt für Anpassung der betrieblichen Altersversorgung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Arbeitgeber entscheidet gemäß entsprechender Anwendung des § 315 BGB nach billigem Ermessen über die alle drei Jahre vorzunehmende Anpassung der betrieblichen Altersversorgung.

2. Der Arbeitgeber hat die Beweislast für die ordnungsgemäße Ausübung des billigem Ermessens und der Berücksichtigung der Umstände im Rahmen der Anpassung (§ 16 BetrAVG).

3. Die Anknüpfung der Anpassung an die wirtschaftliche Lage des Unternehmens und nicht an den Kaufkraftverlust ist rechtmäßig.

 

Normenkette

BetrAVG § 16 Abs. 1; AktG § 302 Abs. 1; BGB § 315 Abs. 2; HGB § 289; ZPO § 97 Abs. 1, § 258

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 01.10.2019; Aktenzeichen 14 Ca 80/19)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.11.2022; Aktenzeichen 3 AZR 506/21)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 1. Oktober 2019 - 14 Ca 80/19 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Anpassung der Betriebsrente des Klägers zum Stichtag 1. Januar 2019.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der „A“, die Wursthüllen und Cellulose-Schwammtuch entwickelt, herstellt und vertreibt. Die Beklagte ist schwerpunktmäßig mit der Entwicklung und Herstellung dieser Produkte betraut.

Der Kläger bezieht von der Beklagten eine Betriebsrente in Höhe von 1.791,43 Euro monatlich. Die letzte Rentenanpassung fand zum 1. Januar 2016 statt. Hinsichtlich der im Bundesanzeiger veröffentlichten Bilanzen für die Geschäftsjahre 2014 und 2015 wird auf das Anlagenkonvolut K3 (Bl. 78 - 81 d.A.) Bezug genommen.

Im Jahr 2016 schloss die Beklagte mit der B, ebenfalls ein Unternehmen der „A“, einen Ergebnisabführungsvertrag, nach dem Jahresüberschüsse und Jahresfehlbeträge übernommen werden. In diesem Geschäftsjahr betrug das durchschnittliche Eigenkapital der Beklagten ausweislich der im Bundesanzeiger veröffentlichten Bilanz (Bl. 82 f. d.A.) 47.380.586,01 Euro (zu Jahresbeginn 44.227.853,01 Euro und zum Jahresende 50.533.319,01 Euro) und das Ergebnis nach Steuern abzüglich sonstiger Steuern 138.910.203,87 Euro (ohne Berücksichtigung der Steuern vom Einkommen und Ertrag 113.491.517,15 Euro). Darin enthalten war ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 111.710.000,00 Euro durch den Verkauf von Anteilen der Beklagten an der C. Aufgrund des Ergebnisabführungsvertrags mit der B betrug der Jahresüberschuss 0,00 Euro.

Im Geschäftsjahr 2017 betrug das durchschnittliche Eigenkapital der Beklagten ausweislich der im Bundesanzeiger veröffentlichten Bilanz (Bl. 84 f. d.A.) 50.533.319,01 Euro (zu Jahresbeginn 50.533.319,01 Euro und zum Jahresende ebenfalls 50.533.319,01 Euro) und das Ergebnis nach Steuern abzüglich sonstiger Steuern -23.285.587,94 Euro (ohne Berücksichtigung der Steuern vom Einkommen und Ertrag -22.602.713,24 Euro). Aufgrund des Ergebnisabführungsvertrags mit der B betrug der Jahresüberschuss 0,00 Euro.

Im Geschäftsjahr 2018 betrug das durchschnittliche Eigenkapital der Beklagten ausweislich des als Anlage B1 vorgelegten Jahresabschlusses und Lageberichts (Bl. 151 - 188 d.A.; die Bilanz Bl. 158 f. d.A.) 50.533.319,01 Euro (zu Jahresbeginn 50.533.319,01 Euro und zum Jahresende ebenfalls 50.533.319,01 Euro) und das Ergebnis nach Steuern abzüglich sonstiger Steuern -30.448.300,58 Euro (ohne Berücksichtigung der Steuern vom Einkommen und Ertrag -30.665.037,88 Euro). Aufgrund des Ergebnisabführungsvertrags mit der B betrug der Jahresüberschuss 0,00 Euro. In diesem Jahr reduzierte die Beklagte 22 Arbeitsplätze am Standort D, unterließ die tariflichen Einmalzahlungen für 642 Mitarbeiter in den Monaten August/September 2018 und nahm Refinanzierungsverhandlungen mit Investoren auf.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2018 (Bl. 15 f. d.A) informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass sie eine Anpassung zum 1. Januar 2019 aus wirtschaftlichen Gründen unterlassen werde.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 30. Januar 2019 (Anlage K2 = Bl. 17 f. d.A.) widersprach der Kläger der unterlassenen Rentenanpassung und forderte unter Hinweis auf die Entwicklung des Verbraucherpreisindex eine Anpassung seiner Betriebsrente zum 1. Januar 2019 um 5,14 %, also um 92,08 Euro.

Ausweislich des im Bundesanzeiger veröffentlichten und dem Vorsitzenden aus mehreren in seiner Kammer rechtshängigen Berufungsverfahren (6 Sa 113 bis 115/21), an denen auch die hiesigen Prozessbevollmächtigten beteiligt sind, bekannten Jahresabschluss betrug im Geschäftsjahr 2019 das durchschnittliche Eigenkapital der Beklagten 50.533.319,01 Euro (zu Jahresbeginn 50.533.319,01 Euro und zum Jahresende ebenfalls 50.533.319,01 Euro) und das Ergebnis nach Steuern abzüglich sonstiger Steuern -774.544,81 Euro (ohne Berücksichtigung der Steuern vom Einkomm...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge