Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Arbeitnehmereigenschaft bei Plattformanbieter. Gesamtbetrachtung aller Umstände bei Prüfung Arbeitnehmereigenschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem sog. „aut-aut-Fall“ reicht die schlüssige und substantiierte Behauptung der Arbeitnehmereigenschaft aus, bewiesen werden muss sie nicht.
2. Ist streitig, ob ein über eine Internetplattform vermittelter Auftragnehmer in Wirklichkeit ein Arbeitnehmer war, sind die allgemeinen Abgrenzungskriterien, insbesondere aus § 611a Abs. 1 BGB, heranzuziehen. Dabei spricht es tendenziell gegen die Arbeitnehmereigenschaft, wenn die geschäftliche Beziehung nur wenige Tage andauern sollte und eine Eingliederung in den Geschäftsbetrieb des Auftraggebers nicht stattgefunden hat.
3. Zur Frage der statusrechtlichen Einordnung eines Busfahrers, der sich, ohne ein eigenes Fahrzeug zu besitzen, für nur eine Busreise bei einem Busunternehmen beworben hat.
Normenkette
GVG § 17a; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 S. 2, § 48 Abs. 1, § 78; BGB § 611a Abs. 1; TVG § 12 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Fulda (Beschluss vom 19.09.2018; Aktenzeichen 4 Ca 278/18) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Fulda vom 19. September 2018 - 4 Ca 278/18 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten im Beschwerdeverfahren über die Frage, ob der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist.
Der Kläger, der am 24. August 1951 geboren worden ist und mittlerweile das Renteneintrittsalter erreicht hat, hat auf der Internetseite der A eine Fahrerinformation zu seiner Person zur Verfügung gestellt, wonach er sich als selbstständiger Fahrer bewerbe. In seinem Bewerbungsprofil ist erwähnt, dass er seit 18 Jahren mit Pausen selbstständig Ungarnreisen veranstaltet habe. Ein Gewerbe hat er nicht angemeldet. Über einen Bus verfügt der Kläger nicht.
Die Beklagte betreibt mit Sitz in B ein Busunternehmen. Die Parteien verständigten sich per E-Mail dahingehend, dass der Kläger als Fahrer für einen Reisebus auf der Strecke C - D - C ab dem 2. Juli 2018 eingesetzt wird. Der Kläger schrieb mit E-Mail vom 29. Juni 2018 (vgl. Bl. 72 der Akte) u.a.:
„…Wie vereinbart bestätige ich Ihnen Ihr(en) Auf(t)rag
Anfahrt 100 Euro
Abfahrt 100 Euro
Erste(r) Tag nach D 120 Euro
die Tage in D jeweils für 100 Euro…“.
Ein schriftlicher Arbeitsvertrag kam nicht zu Stande. Unstreitig wurde ein Nettolohn von ca. 1.400 Euro vereinbart. Die Übergabe des Busses erfolgte auf einem Rastplatz bei C durch den Geschäftsführer Herrn E. In der Folge erbrachte der Kläger die vereinbarte Fahrertätigkeit in der Zeit vom 2. bis 12. Juli 2018. Mit Schreiben vom 10. Juli 2018 forderte der Kläger eine Vergütung in Höhe von 1.460 Euro erfolglos ein.
Am 10. August 2018 hat der Kläger vor dem Arbeitsgericht Fulda Klage erhoben und Zahlung von 1.480 Euro netto geltend gemacht.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, zwischen den Parteien sei ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Er hat behauptet, er habe nach den Anweisungen des Geschäftsführers der Beklagten arbeiten müssen. Er habe noch nie als selbständiger Unternehmer gearbeitet, sofern ihm Jobs über die A vermittelt worden sind. Er hat behauptet, Herr E habe ihn angewiesen, mit dem Mitarbeiter mit dem Vornamen F zusammen zu bleiben und dessen Anweisungen zu folgen. Er habe während der Fahrt auch mehrfach mit Herrn E telefoniert.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis vereinbart worden sei. Sie betreibe selbst nur ein kleines Busunternehmen, die Busse stünden nicht in Ihrem Eigentum, sondern sie miete diese selbst. Unzutreffend sei, dass der Kläger die auszuführende Tour nach ihren Anweisungen habe ausführen müssen. Vielmehr sei es so, dass sie lediglich die vom Reiseveranstalter vorgegebenen Angaben an den Kläger weitergereicht habe. Der Kläger sei lediglich als einmalige Aushilfe bestellt worden und er sei auch nicht mit festen Fahrzeiten in den Betrieb eingegliedert gewesen. Der Kläger habe sich selbst auf der Seite der A als selbstständiger Busfahrer ausgegeben.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 19. September 2018 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen verneint und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Alsfeld verwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es handele sich um einen sog. aut-aut-Fall, so dass die bloße Behauptung einer Arbeitnehmereigenschaft nicht ausreichend sei. Der Kläger habe nicht ausreichend vorgetragen, aufgrund welcher mündlichen Absprache eine für das Arbeitsverhältnis erforderliche Weisungsabhängigkeit in Bezug auf Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit abzuleiten sei. Der Ort der Dienstleistung sei hier von der geschuldeten Tätigkeit abhängig gewesen. Eine Eingliederung in den Betrieb habe nicht stattgefunden. Der Kläger habe auch keinen einlassungsfähigen Sachvortrag dazu gehalten, dass er als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen sein ...