Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides nach Eintritt der Zahlungsverjährung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Haftungsbescheides ist es ohne Bedeutung, wenn nach Erlaß des Haftungsbescheides Zahlungsverjährung eingetreten ist.
  2. § 191 Abs. 5 Satz 1 AO verbietet lediglich den erstmaligen Erlaß eines Haftungsbescheides nach Eintritt der Zahlungsverjährung, die Norm hat jedoch auf den Bestand eines bereits erlassenen Bescheides keinerlei Einfluß.
 

Normenkette

AO § 191 Abs. 5

 

Streitjahr(e)

1988

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 11.07.2001; Aktenzeichen VII R 28/99)

 

Tatbestand

Der Kläger ist von dem beklagten Finanzamt als persönlich haftender Gesellschafter der aus dem Handelsregister gelöschten Firma N. & Partner T. und S. KG für deren Umsatzsteuerrückstände 1979 bis 1981 sowie darauf entfallende Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt XXXX DM als Haftungsschuldner in Anspruch genommen worden.

Die KG errichtete in den Jahren 1979-1981 in O. eine T.- und S.-halle, die sie an die TSB T.- und S.-Betriebs-GmbH, deren Geschäftsführerin die Ehefrau des Klägers war, vermietete.

Wegen der in Streit stehenden Umsatzsteuer 1979 in Höhe vonXXXX DM war bei dem Hessischen Finanzgericht ein Rechtsstreit der KG anhängig, in dem durch rechtskräftiges Urteil vom 29.08.1996 die Klage bis auf einen Teilbetrag von XX DM abgewiesen wurde.

Wegen der Umsatzsteuer 1980 (XXXXX DM streitig) und 1981 ( XX DM streitig) war ebenfalls ein Rechtsstreit anhängig. Nachdem mit Ablauf des Jahres 1992 jedoch Zahlungsverjährung eingetreten war, haben die Beteiligten dieses Rechtsstreites übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt.

Nachdem er ursprünglich einen weitergehenden Klageantrag gestellt hatte, beantragt der Kläger nunmehr,

den gegen ihn gerichteten Haftungsbescheid ersatzlos aufzuheben, soweit die Steuern aus den Jahren 1980 und 1981 herrühren.

Das beklagte Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, wegen des Eintritts der Zahlungsverjährung könne er nicht mehr als Haftender in Anspruch genommen werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Der Erlaß des Haftungsbescheides vom 20.01.1988 ist rechtlich nicht zu beanstanden, und sein Bestand ist unabhängig vom Eintritt der Zahlungsverjährung hinsichtlich der ihm zugrundeliegenden rückständigen Umsatzsteuerbeträge der N. & Partner T. und S. KG (im folgenden KG).

Die nach §§ 128,161 Handelsgesetzbuch bestehende Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters war nach § 191 Abs. 1 AO durch Haftungsbescheid geltend zu machen, wobei das beklagte Finanzamt, in Anbetracht der Vermögenslosigkeit der KG und der gleichzeitigen Inanspruchnahme der Vermögensübernehmerin, das ihm zustehende Auswahlermessen fehlerfrei ausgeübt hat.

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheides ist es ohne Bedeutung, daß hinsichtlich der der Haftung zugrundeliegenden Umsatzsteuerforderungen gegen die KG, die zwischen den Beteiligten nunmehr unstreitig sind, nach Erlaß des Haftungsbescheides Zahlungsverjährung eingetreten ist.

Der Haftungsschuldner hat für fremde Schuld einzustehen. Die daraus resultierende Akzessorietät der Haftung bewirkt, daß ein Haftungsanspruch grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn der zugrunde liegende Steueranspruch erloschen ist. So hat der Bundesfinanzhof seinem Urteil vom 18. Mai 1983 I R 193/79 (BFHE 138, 335, BStBl II 1983, 544) den Leitsatz vorangestellt, daß ein Haftungsanspruch nur so lange geltend gemacht werden könne, wie der Steueranspruch bestehe.

Wenn auch im Steuerrecht - anders als im Zivilrecht - der Eintritt der Verjährung das Erlöschen des Steueranspruchs zur Folge hat (§§ 47, 232 AO), so ist für die Frage der Akzessorietät der Haftung nach den Gründen des Erlöschens zu differenzieren. Diese gilt uneingeschränkt für die Fälle des Erlöschens durch Befriedigung des Gläubigers, erfährt jedoch in der im Streitfall relevanten Konstellation, daß die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist, in § 191 Abs. 5 Satz 1 AO eine Sonderregelung. Danach kann nach Eintritt der Verjährung ein Haftungsbescheid nicht mehr ergehen.

Die Vorschrift ist nach Überzeugung des Senats dahingehend auszulegen, daß u.a. der Eintritt der Zahlungsverjährung lediglich den erstmaligen Erlaß eines Haftungsbescheides verbietet, auf den Bestand eines bereits erlassenen Bescheides aber keinerlei Einfluß hat (so auch für den Fall des Eintritts der Festsetzungsverjährung BFH-Urteil vom 7. November 1995 VII R 26/95 BFH/NV 1996, 379).

§ 191 Abs. 5 AO durchbricht die grundsätzliche Akzessorietät der Haftung in doppelter Weise. Zum einen soll für den Fall, daß die Haftung darauf beruht, daß der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat, der Erlaß eines Haftungsbescheides ungeachtet der Verjährung oder des Erlasses des zugrundeliegenden Steueranspruchs möglich bleiben.

Zum anderen wird eine zeitliche Begrenzung der Abhängi...

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